Pfaffenhofen
Masken statt Deutschunterricht

Von Pfaffenhofen nach Tunesien: Familie Ben Said will eine Schule gründen, doch dann kommt Corona

26.05.2020 | Stand 02.12.2020, 11:17 Uhr
Inzwischen produziert Familie Ben Said Schutzkleidung. Der eigentlich geplante Deutschunterricht fällt erst einmal aus. −Foto: Ben Said

Pfaffenhofen - Viele Pfaffenhofener Bürger haben die gebürtige Tunesierin Ikbal Ben Said als tatkräftige und engagierte Frau in Erinnerung. Sie hatte in ihrer Heimat Betriebswirtschaft studiert, war 2003 nach ihrer Heirat nach Pfaffenhofen gezogen, hatte die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten und in den letzten Jahren in den Integrationsklassen an der Berufsschule Deutsch unterrichtet. Ende 2019 kehrt sie mit ihrem Mann und ihren drei Töchtern schließlich nach Tunesien zurück, sie wollten dort eine Deutschschule gründen.

 

Doch wenige Monate später wurde die Familie von der Stilllegung des öffentlichen Lebens und der Wirtschaft überrascht, die die dortige Regierung wegen der Corona-Pandemie angeordnet hatte. Wie die Familie erklärt, haben sie kurzerhand reagiert und nun neue Projekte in Angriff genommen.

Als Familie Ben Said nach Tunesien zurückkehrte, hatte sie klare Vorstellungen über ihre Zukunft: In dem nordafrikanischen Land am Mittelmeer gibt es viele gut ausgebildete junge Menschen. Bei einer Jugendarbeitslosigkeit von laut offizieller Statistik 35 Prozent und großer Armut sehen diese Tunesier für sich nur in Europa eine Zukunft. Mit ihrem neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz hat die Bundesregierung den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt auch für Fachkräfte aus Nicht-EU-Ländern geöffnet - vorausgesetzt, sie verfügen über die erforderlichen Sprachkenntnisse.

Solche junge Fachkräfte aus den Mittelschichten hatten Ikbal Ben Said und ihr Mann im Auge, als sie in der Küstenstadt Sousse ihre eigene Sprachschule für Deutsch eröffneten. Anmeldungen hatten sie genug und für ihre Absolventen hatten sie bereits Kontakte zu möglichen zukünftigen Arbeitgebern in Bayern geknüpft. Dann kam der Shutdown, wie sie berichten: "Die Grenzen wurden geschlossen, Flug- und Schiffverkehr eingestellt, die Bewegungsfreiheit im Inland stark eingeschränkt, Kontaktsperren und nächtliche Ausgangsverbote verhängt. Sämtliche Fabriken mit Ausnahme der Betriebe für medizinischen Bedarf, Geschäfte, Hotels, Restaurants, Schulen und Bildungseinrichtungen wurden über Monate geschlossen." Mittlerweile hat auch in diesem Land wieder die schrittweise Aufhebung dieser Maßnahmen begonnen.

 

Zum Glück ist in Tunesien mit seinen 11,5 Millionen Einwohnern die Zahl der Corona - Toten mit etwa 50 Personen, so die offiziellen Angaben, niedrig geblieben. Der Stillstand der Wirtschaft im eigenen Land und in Europa wird jedoch für die Bevölkerung schwerwiegende Folgen haben: Der Tourismus, wichtiger Wirtschaftszweig und Devisenbringer, liegt am Boden.

Mit der Schließung der Fabriken, unter ihnen viele Zulieferer für die europäische Automobil- und Textilindustrie, haben zahllose Menschen ihren Arbeitsplatz verloren. Die meisten unter ihnen verfügen über keine Ersparnisse und die staatlichen Unterstützungsleistungen, berichten die Ben Saids, genügen selbst zum nackten Überleben nicht. Das macht verständlich, warum es zu Hungerprotesten von Tagelöhnern gegen den Shutdown gekommen war. Wie in vielen Entwicklungsländer muss jetzt auch die tunesische Regierung zusätzliche Kredite in Milliarden-Höhe im Ausland aufnehmen, deren Tilgung das Land über viele Jahre belasten werden.

Die Familie Ben Said aber startete mit Freunden ein zwischenzeitlich neues Projekt: Den Deutschunterricht setzten sie zunächst aus und seit Ende März produzieren sie Schutzmasken und Schutzkleidung. Abnehmer sind staatliche Institutionen, Krankenhäuser und das Militär. Dazu, berichten sie, bilden sie in Workshops Frauen aus, damit diese selbstständig Masken für den Mundschutz herstellen und sich so ein wenig Geld verdienen können.

PK