Berlin
Marktwächter beobachten Finanzmarkt und digitale Welt

Projekt von Verbraucherschützern und Ministerium startet: Netzwerk von Experten soll dubiose Angebote aufspüren

26.03.2015 | Stand 02.12.2020, 21:29 Uhr

Berlin (AFP) Die für viele Verbraucher unübersichtlichen Angebote auf dem Finanzmarkt und in den Bereichen Telekommunikation und digitale Dienstleistungen werden künftig von Experten genauer unter die Lupe genommen. Ein sogenannter Finanzmarktwächter und ein Marktwächter für die digitale Welt nehmen nun die Arbeit auf, wie das Bundesverbraucherschutzministerium und der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) gestern in Berlin mitteilten.

Die Wächter – keine Einzelpersonen, sondern praktisch ein Netzwerk von Experten - sollen mehr Erkenntnisse über die tatsächliche Lage von Verbrauchern gewinnen, ein Frühwarnsystem aufbauen und somit „zielgenauer und schneller vor Fehlentwicklungen oder dubiosen Angeboten“ schützen, wie Verbraucherschutzminister Heiko Maas (SPD) erklärte. Auf diese Weise sollten schwarze Schafe schneller identifiziert werden.

Die Märkte, in denen sich die Verbraucher bewegten, seien „komplex und intransparent“ und erforderten häufig das Fachwissen von Experten. Nicht alle Verbraucher seien aber gleichzeitig Finanzexperten oder digitale Pioniere, erklärte vzbv-Vorstand Klaus Müller. Wegen der hohen Bedeutung finanzieller Angelegenheiten und der „Dynamik der Digitalisierung“ starteten die Marktwächter ihre Arbeit in diesen beiden Bereichen, indem sie diese systematisch beobachten und analysieren.

Grundlage für die Marktbeobachtung aus Verbraucherperspektive sind in erster Linie die Gespräche, die in den knapp 200 Beratungsstellen der bundesweit 16 Verbraucherzentralen geführt werden. Dort drehten sich im vergangenen Jahr rund 110 000 Fälle (knapp neun Prozent) um das Thema Finanzdienstleistungen. Bei gut 70 000 weiteren Beratungsfällen ging es um das Thema elektronische Kommunikation, also einen Teil des digitalen Marktes. Die Beobachtung und Auswertung der Daten erfolgt nach Standards der empirischen Sozialforschung.

Werden unseriöse Geschäftspraktiken oder unfaire, ineffiziente Produkte aufgespürt, kann über das Marktwächter-Netzwerk geprüft werden, ob es sich um einen Einzelfall handelt oder eine allgemeine Fehlentwicklung. Bei einem überregionalen Problem kann der Marktwächter einen Warnhinweis an alle Verbraucherzentralen weiterleiten. Parallel dazu können Abmahnungen veranlasst oder Musterklagen angestrengt sowie die Finanzaufsichtsbehörde Bafin oder die Bundesnetzagentur informiert werden.

Die Marktwächter seien keine neue, selbstständige Institution, sondern sie würden von den Verbraucherzentralen der Länder und dem vzbv gebildet und vom Ministerium unterstützt, sagte der parlamentarische Staatssekretär im Verbraucherministerium, Ulrich Kelber (SPD). Schließlich säßen in den Verbraucherzentralen schon jetzt die Experten. „Diesen Schatz wollen wir noch stärker heben als in der Vergangenheit.“

Das Jahr 2015 ist laut Müller zunächst bestimmt vom weiteren Aufbau der Marktwächter. Im vollen Betrieb soll das System im Jahr 2018 sein.

Das Marktwächter-Programm ist eine Reaktion auf die Insolvenz des Windkraftunternehmens Prokon, das am bislang noch unregulierten grauen Kapitalmarkt rund 1,4 Milliarden Euro von Privatanlegern eingeworben hatte, die nun um ihr Geld bangen. Das Ministerium, das daraufhin auch ein Gesetz für einen besseren Kleinanlegerschutz vorgelegt hat, fördert die Marktwächter bis Ende 2017 mit insgesamt 5,6 Millionen Euro pro Jahr.