Augsburg
Marionetten mit Biss

Für die neue BR-Sendung "Freitag auf d’Nacht" zeigt sich die Puppenkiste ungewohnt ironisch

21.12.2012 | Stand 03.12.2020, 0:41 Uhr

Puppentheater für Erwachsene: In der neuen BR-Sendung »Freitag auf d'Nacht« tritt ein Hund als Aufnahmeleiter auf. Gedreht wird auf der Originalbühne der Puppenkiste in Augsburg - Foto: Florian Oswald/BR

Augsburg (DK) BR, 23 Uhr, Sendebeginn der neuen Show „Freitag auf d’Nacht“. Der Regisseur ist ein Windhund, sein Bildmischer ein Biber. Beide granteln bald über den Bildschirm. Ungewohnt ironisch zeigt sich die Augsburger Puppenkiste ab dem 11. Januar im Bayrischen Fernsehen.

Der Regisseur ist begeistert von den vermeintlichen Stars seiner Produktion. „Ssscht, nicht jetzt!“, fährt er den Biber an, der verzweifelt versucht, seinem Chef etwas mitzuteilen. Doch der Hund blickt nur gebannt auf den Bildschirm. „Aber sorry“, wirft der Biber ein, „es hat sich ein Kanal verstellt! Sie gucken gerade Yoko und Klaas!“

Im neuen Jahr ist die Augsburger Puppenkiste fester Bestandteil der neuen Sendung „Freitag auf d’Nacht“, die jeden Freitag um 23 Uhr im Bayerischen Fernsehen über den Bildschirm flimmert. Die Augsburger Holzköpfe geben in kurzen Einspielern ihre komisch-kritische Ansicht zum Besten – diesmal für Erwachsene.

Die Kritik war groß, als der öffentlich-rechtliche Kinderkanal (Kika) im Oktober 2011 entschied, die Puppenkiste aus dem Programm zu nehmen, da sie „nicht mehr zeitgemäß“ sei. Die (erwachsenen) Zuschauer liefen Sturm, vielen von ihnen waren die Marionetten ans Herz gewachsen. Diese Meinung teilte auch der bayrische Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) und zeigte sich öffentlich empört über das Verhalten des Kinderkanals.

Darauf griff der Intendant des Bayrischen Rundfunks, Ulrich Wilhelm, kurzerhand zum Telefonhörer, um der Puppenkiste persönlich zu versichern, er würde sie zurück auf den Bildschirm holen. Und Wilhelm hielt Wort.

„Das Konzept zu den Sketchen entstand in Anlehnung an Statler und Waldorf aus der Muppet Show“, erläutert Peter Scheerbaum, der Hausautor der Puppenkiste. Zu den Hauptdarstellern gehört ein selbstgefälliger Windhund als Regisseur und sein ihm ergebener Bildmischer, der Biber. Wie die alten griesgrämigen Herren aus der Muppet-Show verfolgen sie das Sendegeschehen mal mehr, mal weniger aufmerksam und geben ihren Senf dazu.

Running Gag ist ein Rabe, der laut Scheerbaum „seit Jahrzehnten darauf hofft, dass ihn der Aufnahmeleiter, ein Terrier, ins Studio bittet, aber stets aufs Neue enttäuscht wird“. So bleibt der Rabe resigniert auf der beigen Couch des Warterraums sitzen und müht sich hier mit anderen Tieren aus dem Fundus der Puppenkiste ab, die als Gäste ebenfalls auf ihren Auftritt in der Sendung lauern. Die Stars der Produktion sind sprechende Tierfiguren, die in den Aufführungen der Puppenkiste bisher nur Nebenrollen spielen durften.

„Wir haben uns bewusst für Tiere entschieden, da dies unsere Stärke ist“, erklärt Scheerbaum. „Menschliche Figuren würden an dieser Stelle unfreiwillig peinlich wirken, weil wir für eine treffende Charakterisierung zu viel im Vorfeld erklären müssten. Bei Tieren dagegen reicht schon das äußere Erscheinungsbild aus, um ihren Charakter darzustellen.“ Außerdem habe ein Ausspruch wie „Ich bin hundemüde!“ eine ganz andere Wirkung, wenn er aus dem Mund eines Hundes stamme. Für jede Sendung fertigt die Puppenkiste mehrere Sketche an, die je nach Art zwei bis drei Minuten oder nur wenige Sekunden dauern. Der Dreh erfolgt auf der Original-Bühne in Augsburg. Einmal im Monat werden je vier der 40 geplanten Ausstrahlungen vorbereitet. In zehn Stunden Dreharbeit entstehen so um die acht Sendeminuten pro Tag. 14 Mitarbeiter und drei Spiegelreflex-Kameras sind notwendig, um die Puppen und die Bilder zum Laufen zu bringen.

Die Texte kommen nach einer Kontrolle durch die Puppenkiste nach München, wo der fertige Ton für die Sketche vorproduziert wird. Zielgruppe der Sendung ist die Generation ab 30 Jahren, die noch mit den Geschichten der Puppenkiste aufgewachsen ist. „Das Projekt macht sehr viel Spaß und wir würden uns freuen, wenn unser Puppenspiel auf die Erwachsenen dieselbe Faszination ausübt wie auf die Kinder“, hofft Scheerbaum.

Doch das ist bei weitem noch nicht das einzige große Projekt der Puppenkiste. Am 26. Februar veröffentlichen die Betreiber Jürgen und Klaus Marschall anlässlich des 65. Geburtstags von Augsburgs berühmtestem Theater das „Große Buch der Augsburger Puppenkiste“ inklusive DVD zur Entstehungsgeschichte und Musik-CD mit zwölf Aufführungsklassikern plus Neuinterpretation. Darüber hinaus laufen Überlegungen, ein Spiel für die Wii-Konsole auf den Markt zu bringen, in dem die Fans selbst in die Rolle des Puppenspielers schlüpfen können.

Und für den Herbst des kommenden Jahres ist ein Kinofilm geplant, dessen Abenteuer seinen Ausgang im Museum der Puppenkiste nimmt. Die Fans dürfen also gespannt sein.