Eichstätt
Marias Finger und Dornenkrone

05.08.2010 | Stand 03.12.2020, 3:48 Uhr

Die Henkerskapelle wurde wohl Ende des 18. Jahrhunderts an der Richtstätte oberhalb Eichstätts erbaut. - Foto: oh

Eichstätt (EK) Die drei Figuren der Eichstätter Henkerskapelle – Jesus Christus, Maria und Johannes – werden derzeit generalsaniert. Die Holzschnitzerarbeiten in der Werkstätte von Raphael Graf sind fast abgeschlossen.

Die drei überlebensgroßen Statuten der Henkerskapelle nötigen dem Betrachter aus zwei Gründen höchsten Respekt ab: Die Kunstwerke können mit Fug und Recht als Arbeit von Weltklasseniveau bezeichnet werden – und sie erinnern an zum Tode Verurteilte und deren letztes Gebet. Darunter war gewiss, nach heutigem Rechtsempfinden, so mancher Unschuldige.

Der Bildhauer Raphael Graf hatte vor allem Spalten und Risse zu schließen, Finger Marias und Dornen der Marterkrone Jesu zu ergänzen. Er schilderte Konservator Albert J. Günther und Andreas Spreng von der Unteren Denkmalschutzbehörde das weitere Vorgehen bei der Sanierung der im Besitz der Stadt Eichstätt befindlichen Kunstwerke. Voraussichtlich im Frühjahr 2011 erfolgt die Wiederaufstellung in der Henkerskapelle auf der Anhöhe über Eichstätt. Das Bauwerk selbst bedarf auch der Restaurierung.

Die Figuren werden in der Kirchenmalerwerkstätte Bernhard Pfaller in Ingolstadt bemalt. "Dabei wird möglichst viel von der ursprünglichen Fassung erhalten", betonten Graf und Günther. Das Trocknen des Leinölfirnis dauert rund ein halbes Jahr. Die Statuen sind aus Lindenholz; der Korpus ist jeweils aus einem Stamm gearbeitet. Die Figuren sind innen hohl. Der Christus ist von den Zehen bis zu den Fingerspitzen der ausgestreckten Hand 2,56 Meter groß.

Die meisten Fachleute sind sich einig, dass die Arbeiten der Henkerskapelle ein Werk des berühmten Eichstätter Bildhauers Ignaz Alexander Breitenauer (1757 bis 1838) sind. Das schreibt auch Felix Mader im Buch "Kunstdenkmäler der Stadt Eichstätt"; Zweifel hegt aber Breitenauer-Biographin Jutta Mannes.

Zur Geschichte: Scharfrichter Franz Schöller erbat sich im Jahr 1788 beim Geistlichen Rat der Stadt die Erlaubnis, in der Nähe des Hochgerichts eine Kapelle errichten zu dürfen. Darin sollten die Bildnisse aufgestellt werden, gekauft von "der allhiesigen Bruderschaft vom guten Tode". Auf einem Stein steht: "Gestiftet 1788 durch Beiträge von Guttätern." Konservator Günther: "Schriftliche Belege, wie etwa Rechnungen, gibt es nicht". Wie Raphael Graf sagte, habe er nach einem Zeichen Breitenauers Ausschau gehalten, leider aber nichts entdeckt.

Wo die Verurteilten "vom Leben zum Tode gerichtet wurden", ist archäologisch nicht erforscht, vermutlich war die Hinrichtungsstätte weiter südlich gelegen. Laut Albert J. Günther seien die Menschen beim Hochgericht "verscharrt worden". Allein in den Jahren 1603 bis 1627 wurden rund 200 Todesurteile vollstreckt, 1715 bis 1723 waren es 26. Andreas Spreng bemerkte: "Die Stadt hat die erhöhte Verpflichtung, die Kapelle und die Schnitzwerke zu erhalten." Zumal Graf versicherte, dass das Holz nach über 200 Jahren noch sehr gut ist.