Augsburg
Mann soll nach Tod von Kind fast zehn Jahre ins Gefängnis

26.03.2021 | Stand 03.04.2021, 3:33 Uhr
Eine modellhafte Nachbildung der Justitia steht neben einem Holzhammer und einem Aktenstapel. −Foto: Volker Hartmann/dpa/Illustration

Den kleinen Sohn seiner Freundin soll er totgeprügelt haben. Dafür soll ein 24-Jährige nahezu zehn Jahre in Haft. Tragischerweise könnte der Bub wohl noch leben, wenn bei den Behörden alles glatt gelaufen wäre.

Nach dem Tod eines dreijährigen Buben hat das Landgericht Augsburg den Freund der Mutter zu neun Jahren und neun Monaten Haft verurteilt worden. Die Strafkammer sprach den 24-Jährigen am Freitag wegen Körperverletzung mit Todesfolge schuldig, ursprünglich war der Mann wegen Totschlags angeklagt. Der Mann soll das Kind mit so brutalen Faustschlägen traktiert haben, dass die Därme platzten. Der Junge starb später im Krankenhaus, die Ärzte konnten ihn nicht mehr retten (Az. 8 Ks 401 Js 140264/19).

Der Vorsitzende Richter Roland Christiani warf dem Angeklagten vor, dass er dem Verfahren um den Tod des Kleinkindes völlig kalt gefolgt sei. Der Richter sprach von „Gefühlsrohheit“ und betonte: „Sie haben Ben umgebracht, um nicht zu sagen ermordet.“ Nur weil kein Tötungsvorsatz im Sinne der Rechtsprechung nachweisbar sei, laute das Urteil nicht auf Mord oder Totschlag. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig, die Anwälte des Mannes können nun Revision beim Bundesgerichtshof einlegen.

Mit dem Schuldspruch folgte die Kammer weitgehend dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Die Verteidigung hatte auf Freispruch plädiert, weil sie von einem Unfall ausging. Denn der 24-Jährige hatte erklärt, dass er gestolpert und mit dem Knie auf das Kind gefallen sei. Das Gericht hielt von dieser Version gar nichts, Christiani sprach von dem „Märchen des Kniefalls“.

Der beschuldigte Deutsche hatte im Oktober 2019 das Kind in der Wohnung der Mutter im schwäbischen Dillingen betreut, als die Frau nicht daheim war. Der Lebenspartner der Frau, der nicht der leibliche Vater war, lebte nicht in dem Haushalt. Mehr als ein halbes Jahr nach dem Tod des Kindes wurde er aufgrund neuer Erkenntnisse durch ein rechtsmedizinisches Gutachten festgenommen.

Möglicherweise hätte der Junge gerettet werden können, wenn es im Vorfeld der Tat keine Behördenpanne gegeben hätte. Denn das Landratsamt Dillingen hatte nach dem Tod des unterernährten Buben ein Versäumnis eingeräumt. Eine Nachbarin hatte bereits ein Vierteljahr zuvor das Veterinäramt angerufen, weil die Hunde der Familie keinen Auslauf bekämen und die Kinder „ebenfalls eingesperrt“ seien.

Der Anruferin wurde gesagt, dass sie wegen der mutmaßlich vernachlässigten Kinder beim Jugendamt anrufen solle, zu diesem zweiten Telefonat kam es aber nicht. Später räumte die Kreisbehörde ein, dass das Veterinäramt intern die Information an das Jugendamt hätte weitergeben müssen, dies aber nicht erfolgt sei.

Das Landratsamt Dillingen hatte wiederum Vorwürfe gegen das Jugendamt in Halle an der Saale in Sachsen-Anhalt erhoben, wo die Familie zuvor gelebt hatte. Das Jugendamt Halle hätte die Kollegen von dem Umzug nach Bayern informieren müssen, da bezüglich des Buben in Halle bereits eine Kindeswohlgefährdung festgestellt worden sei. Die Stadtverwaltung in Halle hatte daraufhin erklärt, seit 2017 nicht mehr mit der Familie befasst gewesen zu sein.

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dpa