Hohenwart
Manfred Russer, Wohnzimmerrocker

Hohenwarts Bürgermeister dreht gerne privat mit Pink Floyd auf und singt im Verein

09.12.2016 | Stand 02.12.2020, 18:56 Uhr

Ein Berg voller Arbeit und ein glücklicher Manfred Russer mittendrin. Beim Anblick seiner alten Platten gerät er sofort ins Schwärmen. - Foto: Burgstaller

Hohenwart (SZ) Es geschah an einem gewöhnlichen Samstagnachmittag. Frau Russer dachte sich nichts Böses, sie war unterwegs und hat gerade erst die Haustüre aufgeschlossen. Doch was ist das? Aus dem Wohnzimmer dringt Musik. Laute Musik. Pink Floyd, sie kann es deutlich hören. Sie beeilt sich, um endlich sehen zu können, was denn da los ist. Ein Einbrecher? Ein Verrückter in ihrem Haus? Als sie sich schließlich zum Wohnzimmer voran gepirscht hat, sieht sie niemanden geringeren als ihren Mann, der sich biegt und wild im Rhythmus mitgeht - gestatten, Manfred Russer, Bürgermeister von Hohenwart und Wohnzimmerrocker.

Ob es sich ganz genau so schon einmal im Hause Russer abgespielt hat, ist nicht überliefert. "Aber das könnte theoretisch schon mal vorkommen", erklärt Manfred Russer. "Wenn ich gute Musik höre, kann ich nicht anders, als mich rhythmisch dazu zu bewegen", sagt er. Und manchmal brauche er das sogar.

Seine Mitarbeiter im Hohenwarter Rathaus werden ihren Chef wahrscheinlich noch nicht tanzend vorgefunden haben. Aber er tut doch sein Bestes, sie zu unterhalten - wenn auch nicht immer absichtlich. Denn Manfred Russer ist nicht nur Tanzbär, er ist auch Summer. Oder ein Pfeifer, das hängt von der Tagesform ab. "Meistens merke ich es nicht mal, dass ich summend durch die Gegend laufe", erzählt er grinsend. "Da werd' ich dann immer erst drauf aufmerksam gemacht." Und wenn er dann ganz aufdreht, dann ist selbst Pfeifen zu wenig. Dann muss er singen. Da lohnt sich dann beispielsweise auch ein genauerer Blick in den Rückspiegel, falls man denn zufällig im Auto vor ihm fährt. Denn es kann gut sein, dass man den 61-Jährigen dabei beobachten kann, wie er aus vollem Halse zur Musik im Radio mitsingt.

Am liebsten mag der gebürtige Karlshulder übrigens die alten Klassiker von Joe Cocker, CCR, Tina Turner und eben Pink Floyd. Entgegen der Vorliebe vieler seiner Bürgermeisterkollegen waren für Manfred Russer Schlager nie ein Thema. "Das hab ich noch nie verstehen können, wie man sich das antun kann", erklärt er. Dazu sollte man erklären: Manfred Russer ist einer, der die 68er-Bewegung im besten Jugendalter miterlebt hat - auch, wenn er nie Student war. Und als wilder 68er, da hörte man eben keine Schlager. "Meine Sturm-und-Drang-Zeit dauerte vielleicht fünf Jahre", erzählt er. Aber das hat gereicht.

Mit 17 Jahren ging Russer vom Gymnasium ab und begann eine Lehre zum Bankkaufmann in Neuburg. Bei Tag stand er hinterm Schalter, bei Nacht aber kam seine wilde Seite hervor. "Es war die Zeit der Beatles und der langen Haare", erinnert er sich mit glitzernden Augen. Und auch wenn er mit Sicherheit sagen könne, kein Fan von Schlagermusik zu sein, war er bei anderen Musikrichtungen schon immer toleranter. "Hauptsache ich hab' Freude dran", erklärt er entschlossen. Getanzt wurde also auch zu weniger Rockigem.

Mit 22 Jahren zog Russer nach Hohenwart. Er heiratete, das erste Kind folgte drei Monate später. Es wurde ruhiger um ihn. Die Lust am Leben hat er aber freilich nie verloren. Gesellig war er ja schon immer. Und so beschloss Manfred Russer im Jahr 2000, dass die Zeit reif sei, um seiner Stimme mehr Gehör zu verschaffen: Er trat dem Männergesangverein bei. "Mein Schwiegervater war da dabei. Ich hab' ihn öfter mal abgeholt und fand das immer toll, was er da macht", sagt Russer. Also trat er auch ein, immer donnerstags wird geprobt.

Da schaut er auch, dass er trotz stressigem Job dabei ist. "Der Donnerstag ist gesetzt", sagt er. Schließlich will auch so eine Bürgermeisterstimme geölt werden, damit sie so richtig zur Geltung kommt. "Ich traue mir zu, ganz ordentlich zu singen. Aber ich muss üben." Aber das ist längst nicht der einzige Grund, warum er seine Gesangsprobe nicht verpassen will: "Musik ist für mich Abtauchen, den Kopf freibekommen, ein Hauch von Freiheit." Und wenn die Kirchenlieder am Donnerstag mal nicht genug sind, dann wird eben im Wohnzimmer gerockt.