Rosensteig
"Man wird mit der Raupe leben müssen"

Wenn künftige prächtige Bäume erhalten werden sollen, sind neue Initiativen gegen den Eichenprozessionsspinner gefragt

15.02.2019 | Stand 02.12.2020, 14:38 Uhr
Noch diesen Monat soll diese alte Eiche in Rosensteig gefällt werden. −Foto: Hofmann

Die Fakten sind einfach: Wenn ein Baum vom Eichenprozessionsspinner befallen ist und er dort steht, wo Menschen vorbeikommen, muss etwas gemacht werden. Die feinen Härchen der Raupen des Prozessionsspinners sind gefährlich, können schwere allergische Reaktionen und Lungenschäden auslösen. Man kann die Raupen und ihre Hinterlassenschaften absaugen.

Das kostet viel Geld und muss im Regelfall mehr als einmal erfolgen. Steht der Baum auf Privatgrund, muss der Eigentümer das bezahlen. Finanzielle Hilfen von Gemeinde, Landkreis, Staat oder Bund gibt es dafür nicht.
Es ist also durchaus verständlich, dass die Eigentümerin der stattlichen Eiche in Rosensteig nach langem Überlegen schweren Herzens eine Firma beauftragte, den Baum umzusägen. Auch das stellt eine finanzielle Belastung dar, doch sie ist übersichtlich: Einmal zahlen und erledigt, wohingegen die Behandlung des Baums womöglich immer wieder über Jahre hinweg Kosten im hohen vierstelligen Bereich verursachen würde. Denn wie sich die Sache mit dem Eichenprozessionsspinner in unserer Region entwickelt, da wagen auch Experten keine Prognose abzugeben. Das Tier, eigentlich ein harmloser Schmetterling, hat sich erst in den vergangenen Jahren zu einer Plage entwickelt und beschäftigte 2018 wohl jede Kommune in der Region. Begünstigt durch den Klimawandel, dürfte sich der Eichenprozessionsspinner weiter ausbreiten.
Argumente wie diese haben am Donnerstagmorgen offenbar auch die Rosensteiger, die für den Erhalt des Baumes eintraten, überzeugt. Die Protestaktion gegen die Fällung fiel zudem sehr übersichtlich aus. Eine Vertreterin des Bundes Naturschutz kam dazu, die Eigentümerin, auch Aresings Bürgermeister Klaus Angermeier. Um im Fall der Fälle deeskalierend zu wirken, wie der Gemeindechef sagt. Doch das sei gar nicht nötig gewesen.
Einer, der einen großen Teil zur Deeskalation beitrug, war Bernhard Prestele. Er sollte am Donnerstag eigentlich den Baum fällen und seine Überreste beseitigen, die Grundstückseigentümerin hatte ihn damit beauftragt. Doch angesichts der erwarteten Protestaktion blies er das Unternehmen kurzfristig ab - "auf meine Kosten", wie er sagt - und kam lieber mit den Anwohnern ins Gespräch. Prestele betreibt übrigens keine Baumfällungs-, sondern eine Baumpflegefirma - der Unterschied ist ihm wichtig. Sein Ziel sei es, Bäume, gerade so schöne wie den in Rosensteig, zu pflegen und zu erhalten. So lange das eben sinnvoll sei.
Die Fällung des Baumes, sagt Prestele im Gespräch mit unserer Zeitung, sei von den Kosten her nicht viel anders einzuordnen als das Absaugen der Schädlinge. Denn der Materialaufwand sei in beiden Fällen hoch: Man brauche einen Hubwagen und vor allem umfangreiche Schutzausrüstung für die Arbeiter - schließlich dürfen die nicht mit den feinen Härchen des Eichenprozessionsspinners in Kontakt kommen. Außerdem müsse darauf geachtet werden, dass der Umkreis des Baumes weiträumig abgesperrt werde. "Das Problem Eichenprozessionsspinner wird in der Bevölkerung unterschätzt", meint Prestele. Einmal Absaugen reiche im Normalfall nicht aus - man müsse das mehrmals machen. Und wenn am Ende Gespinste im Baum bleiben, die Eier enthalten, sei im Folgejahr für Nachwuchs gesorgt. Als er am Donnerstag auf die Kosten hinwies, die beim Erhalt der Eiche durch die Baumpflege entstünden, sei bei den Anwohnern die Bereitschaft, sich daran zu beteiligen, sehr schnell gesunken, erzählt Prestele. Bewohner der Ortschaft hatten auch bereits am Donnerstag der Schrobenhausener Zeitung mitgeteilt, dass eine finanzielle Beteiligung an Baumpflegekosten für sie nicht infrage komme.
Der Prozessionsspinner könne sich leicht ausbreiten, weil viele Eichen als Straßenbäume gepflanzt worden seien und sich somit immer ein Baum in einer für den Schmetterling erreichbaren Entfernung befinde, auf dem er ein neues Gelege hinterlassen könne. "Man kann den Eichenprozessionsspinner eindämmen", sagt Prestele, "aber man wird ihn nie komplett eliminieren können." Man könne die Bäume zwar spritzen, aber darunter würden auch andere Raupen leiden. Um den Eichenprozessionsspinner effektiv zu bekämpfen, müsse man die Gesamtstrategie ändern. Da sei die Politik gefragt. Und um Bäume vor der Fällung zu bewahren, könnten Kommunen Bauschutzverordnungen erlassen.
Aresing hat keine Baumschutzverordnung, das sei auch bisher kein Thema gewesen, sagt Bürgermeister Klaus Angermeier. Vielleicht müsse man sich nun darüber Gedanken machen. Allerdings nehme man dann dem Bürger einen Teil seiner Selbstbestimmung: "Der sagt: Das ist mein Baum auf meinem Grund." Zudem müsse die Gemeinde die Einhaltung der Verordnung überwachen und bei Zuwiderhandlungen auch mal Strafen aussprechen.
Ganz schwierig wird die Situation wohl, wenn sich auf einem durch die Verordnung geschützten Baum der Eichenprozessionsspinner breit macht - und der Eigentümer gezwungen wäre, womöglich über Jahre hinweg die Kosten für das Absaugen zu tragen. Das sieht auch Angermeier so: "Das kann einer allein gar nicht leisten." Vielleicht könne man einen Fonds auflegen, aus dem Grundstückseigentümer finanzielle Hilfe bekommen können. Das müsse aber landkreisweit angepackt werden, Angermeier, selbst Kreisrat, will das Thema bei seinen Bürgermeisterkollegen mal zur Sprache bringen. Man müsse entscheiden, ob man da tätig werde "und sagt: Die Bäume sind uns das wert".
Intensiv mit dem Thema Eichenprozessionsspinner hat sich gerade in jüngster Zeit die Kreisfachberatung für Gartenkultur und Landespflege befasst: "Der Eichenprozessionsspinner hat uns im letzten Jahr überrollt", sagt Katrin Pilz. Wie sich die Lage heuer entwickle, das könne man nicht voraussagen - ein ähnlich warmer und trockener Sommer wie 2018 würde die Ausbreitung des Falters aber sicherlich begünstigen. Man müsse die Augen offen halten. Spritzen gegen den Eichenprozessionsspinner sei möglich, man könne den Bazillus thuringiensis einsetzen, Hobbygärtnern als Mittel gegen den Buchsbaumzünsler bekannt - oder auch Nematoden, die Kartoffelbauern eher als Schädling einstufen würden. Sie könnten wirklich gezielt gegen die Eichenprozessionsspinnerraupen angewandt werden - wenn man genau den richtige Zeitpunkt erwische.
Es ist also offenbar noch viel zu erforschen, der Kampf gegen den Eichenprozessionsspinner ist schwer zu gewinnen. Sie und ihre Kollegin Sabine Baues-Pommer seien in Gesprächen mit anderen Fachberatern aus Landkreisen, in denen das Problem schon länger akut ist, sagt Katrin Pilz. Für die Gemeinden wollen sie nun Informationen und Hilfsmittel zusammenstellen, denn: "Man wird künftig mit der Raupe leben müssen."