Ingolstadt
"Man steigt auf die Bühne und hat eine Stimme"

Sieben Poeten aus der Region gehen beim Bayernslam in Ingolstadt an den Start

06.05.2015 | Stand 02.12.2020, 21:20 Uhr

Melanie Hertel

Ingolstadt (DK) Der Bayernslam kommt nach Ingolstadt: Ab heute zeigen Bayerns beste Dichter, wie modern Poesie sein kann. Sieben der 54 Teilnehmer stammen aus der Region.

Sie teilen eines: die Liebe zu einem abwechslungsreichen und unberechenbaren Kulturformat. Sobald der Poetry-Slammer die Bühne betritt, gibt er die Kontrolle ab. Er trägt seinen selbst verfassten Text vor, ohne zu wissen, wie das Publikum darauf reagieren wird. Bejubeln die Zuhörer die Poesie oder verstehen sie die Wortspiele nicht? Alles ist offen.

Genau das ist es, was Kevin Reichelt am Poetry-Slam so gut gefällt. „Es ist aufregend zu sehen, wie der Text beim Publikum ankommt“, sagt er. Der 23-Jährige ist ein alter Hase in der modernen Dichterkunst. „Im Dezember 2010 hatte ich im ,Maki’ meinen ersten Auftritt“, erinnert er sich. Mittlerweile ist der Ingolstädter nicht nur als Künstler beim sogenannten „Brüllaffen-Slam“ im „Maki“ dabei – er moderiert ihn sogar. Seine Begeisterung hat über all die Jahre nicht nachgelassen. „Beim Poetry-Slam ist es egal, wer man ist und woher man kommt. Man steigt auf die Bühne und hat eine Stimme.“

Für Reichelt ist es nicht die erste Teilnahme am Bayernslam. Er war schon im Vorjahr dabei, als der Dichterwettstreit in Nürnberg und Fürth stattfand. In diesem Jahr werden die bayerischen Meisterschaften zum fünften Mal abgehalten. Teilnehmen dürfen die Slammer, die von den 36 dienstältesten bayerischen Poetry-Slams nominiert wurden.

Zum Kreis der Auserwählten gehört auch Theresa Köchl. Die 19-jährige Abiturientin ist eine Poetry-Slam-Debütantin und ergatterte schon bei ihrem zweiten Auftritt einen Startplatz beim Bayernslam. Sie vertritt die Neuburger Szene. Für Eichstätt gehen Sarah Franz (18) und Miriam Günthner (17) an den Start. Die beiden haben ihre ersten Erfahrungen in Sachen Poetry-Slam im Workshop des Ingolstädter Stadttheaters gesammelt. Obwohl die Nachwuchsdichterinnen mitten im Abitur stecken, wollen sie sich die Teilnahme nicht nehmen lassen. „Für mich ist der Bayernslam eine kleine Auszeit vom Abistress – die Zeit nimmt man sich gerne“, sagt Miriam Günther, die am Freitag ihre letzte Prüfung schreibt.

Weil auch die 18-jährige Melanie Hertel unbedingt bei dem bayernweiten Wettbewerb dabei sein möchte, hat sie ihre Reise nach Australien um einige Tage verschoben. „Ich werde dort ein Jahr reisen und arbeiten“, verrät sie. Danach plant die Ingolstädterin ein Schauspielstudium. Ihre anderthalbjährige Bühnenerfahrung als Poetry-Slammerin wird dabei sicherlich hilfreich sein. Punkten möchte Hertel beim Bayernslam mit einem nachdenklichen Text: „Das Komödiantische fällt mir schwer – ich finde, das ist auch mehr Comedy als Poetry. Ich bevorzuge lyrische Wortspiele.“

Pascal Simon dagegen verknüpft in seinen Texten ernste Elemente mit lustigen. „Ich versuche, beim Poetry-Slam alles einmal auszuprobieren. Denn der Abwechslungsreichtum ist ja gerade das Schöne daran“, findet der 22-jährige Student. Seiner Meinung nach gibt es kaum eine Kunstform, bei der man weniger an Vorgaben gebunden ist, als beim Poetry-Slam.

Eine der wenigen Vorgaben bei dem Dichterwettstreit ist, dass der Künstler keine Musik verwenden darf. Deshalb muss Matthias Ernst seine Texte ohne Melodie vortragen – obwohl gerade das seine Inspirationsquelle ist. „Ich schreibe meine Texte immer zu Musik. Bei Poetry-Slams performe ich sie einfach langsamer und ohne Rhythmus“, erzählt der 23-Jährige. Seit neun Jahren verfasst er Rap-Texte und kam ebenfalls über die Workshops des Stadttheaters zum Poetry-Slam. „Ich mag es, wenn ich die Leute mit meinen Texten aus ihrem Tief herausreißen kann.“ Genau diese positiv aufgeladene Stimmung im Publikum ist es, die die meisten Poetry-Slammer immer wieder auf die Bühne zieht – auch beim Bayernslam. Ihnen geht es nicht primär ums Gewinnen, sondern um den Spaß an der Sache. Denn sie wissen: Sollten sie nicht ins Finale kommen, macht das Zuhören im Zweifelsfall genauso viel Spaß wie das Mitmachen.

 

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