"Man sollte die Ingolstädter nicht unterschätzen"

Nach zehn Jahren ist Ariel Zuckermann zurück als musikalischer Leiter des Georgischen Kammerorchesters

22.01.2021 | Stand 26.01.2021, 3:33 Uhr
Vor gut zehn Jahren war Ariel Zuckermann schon einmal Chef des Georgischen Kammerorchesters. Nun ist er zurückgekehrt und will an die erfolgreichen Jahre anschließen. −Foto: Rössle

Ingolstadt Das Georgische Kammerorchester hat einen neuen musikalischen Leiter - aber der Start für den Dirigenten Ariel Zuckermann gestaltet sich schwierig.

Denn Mitten in der zweiten Welle der Corona-Epidemie ist unsicher, wann der gebürtige Israeli zum ersten Mal vor das Orchester treten kann. Den Ingolstädtern allerdings ist Zuckermann ohnehin bekannt. Zwischen 2007 und 2011 war er schon einmal Chefdirigent des Orchesters.

Herr Zuckermann, nach fast zehn Jahren sind Sie wieder als Orchesterleiter in Ingolstadt. Ist es gut und richtig, einen Job, den man schon mal hinter sich gelassen hat, noch einmal anzutreten?
Ariel Zuckermann: Das war auch eine meiner Überlegungen, bevor ich zugesagt habe, wieder nach Ingolstadt zu kommen. Aber es ist auch sehr schmeichelhaft, dass man mich gefragt hat. Und es ist natürlich zeitlich begrenzt, als Übergang für zwei Jahre. Inzwischen freue ich mich sehr darüber. Es ist zwar die gleiche Aufgabe, und doch auch wieder nicht. Ich kenne das Orchester nicht mehr so gut wie damals. Die Besetzung hat sich geändert und auch die äußeren Strukturen. Aber es ist auch jetzt für das Orchester eine spannende Zeit. Ich werde viel weniger in Ingolstadt präsent sein können als damals, lediglich vier Abokonzerte und ein paar andere Auftritte. Aber natürlich freue ich mich sehr darauf, wieder mit dem Orchester zu arbeiten, ich schätze die Musiker sehr, das Potenzial ist enorm.

Ist Ihnen Ihre Entscheidung schwergefallen?
Zuckermann: Ich habe einige Monate gebraucht. Es ist zeitlich sehr anspruchsvoll, die Aufgabe eines Chefdirigenten zu übernehmen.

Inzwischen leiten Sie das Israel Chamber Orchestra. Kann man die beiden Orchester vergleichen?

Zuckermann: Das Israel Chamber Orchestra ist wesentlich größer besetzt, nach hiesigen Maßstäben ist es eher eine Kammerphilharmonie. Man kann mit dieser Besetzung sehr viel machen. Das Orchester ist in Israel sehr erfolgreich, wir geben jedes Konzert zwei bis fünf Mal, die Nachfrage ist groß.

Sollte man das GKO auch zur Kammerphilharmonie ausbauen?
Zuckermann: Ja, man kann so auch in größerer Besetzung zu spielen, so hat man letztlich mehr Möglichkeiten. Das ist jedenfalls eine interessante Idee, über die man noch diskutieren könnte. Einen Übergang zur Kammerphilharmonie, kann man ja auch allmählich vollziehen.

Braucht das GKO einen neuen Namen?
Zuckermann: Natürlich hat das Orchester einen Ruf als georgisches Orchester und einen bestimmten Klang. Aber jetzt, nachdem das Orchester mehr als 30 Jahre hier ist, sollte man darüber nachdenken, ob man es mehr als Ingolstädter Orchester verstehen sollte. Gerade in einem Augenblick, wo auch die Zuschüsse und die Unterstützung der Stadt für das Orchester größer werden. Das könnte auch die Motivation der Sponsoren vergrößern.

Sie haben mal gesagt, dass ein Orchester, das nach so langer Zeit, die es hier ist, immer noch den Namen Georgien im Namen trägt, eigentlich nur zu Gast ist.
Zuckermann: Die Musiker leben sehr gerne hier in der Stadt. Sie gehören längst zur Stadt, und die Stadt gehört zu ihnen. Man könnte dieses neue Heimatgefühl durchaus stärker zum Ausdruck bringen.

Das GKO braucht ein größeres Publikum, muss sich noch mehr in der Stadt beheimaten. Wie kann das geschehen?
Zuckermann: Wir sollten wieder an das anknüpfen, was wir vor zehn Jahren gemacht haben. Wir benötigen hervorragende, bekannte Gastmusiker. Außerdem sollten wir ein Programm anbieten mit bekannten Werken und Werken, die man nicht so oft hören kann, die man aber öfter hören sollte.

Braucht Ingolstadt ein besonders populäres Programm?
Zuckermann: Man sollte das Ingolstädter Publikum nicht unterschätzen. Wenn erst mal ein Vertrauen zum Orchester hergestellt ist, dann kann man auch weniger populäre Werke spielen. Man muss eine Balance finden, das Publikum möchte auch nicht immer nur die gleichen Klassik-Schlager hören.

In Ihrem Programm für das kommende Jahr fällt auf, dass Sie fast durchweg mit kleinen Besetzungen auskommen. Warum?
Zuckermann: Das war Absicht. Gerade zu Zeiten von Corona sollten wir die Besetzungen eher reduzieren. Es gibt zudem auch genug tolles Repertoire für kleine Besetzung. Das hat auch seinen Reiz.

Es fällt außerdem ein Übergewicht an Geigen-Solisten auf. War das Absicht?
Zuckermann: Mir gefällt es so. Das Orchester ist ja mit großen Geigerinnen groß geworden, etwa Liana Issakadze. Wichtiger ist mir noch, dass wir Dirigenten haben, die auch Solisten sind. Das ist gerade bei kleinen Besetzungen ein besonderes kammermusikalisches Erlebnis.

Im Laufe des Jahres soll auch ein neuer Geschäftsführer für das Orchester gefunden werden. Was für Anforderungen sollte er erfüllen?
Zuckermann: Er sollte natürlich bereits Erfahrungen gesammelt haben bei anderen Orchestern. Und er sollte die Strukturen kennen, Kontakte zu Agenturen und Sponsoren haben. Er muss sehr gut mit dem Künstlerischen Leiter zusammenarbeiten können, er sollte wissen, wie man Ideen vermarktet. Es sollte jemand sein, der wirklich für den Job lebt.

Sollte das Orchester versuchen, weitere Konzertreihen im Umfeld zu etablieren? Etwa im Reitstadel in Neumarkt? Oder in Pfaffenhofen oder Schrobenhausen oder Eichstätt?
Zuckermann: Das ist sehr wichtig! Die Region wird nicht gerade viel bespielt von anderen Orchestern. Das ist natürlich für das GKO eine große Chance. Es wäre überhaupt schön, wenn jedes Programm nicht nur einmal gespielt wird, sondern mehrmals, etwa in der Region, in verschiedenen Reihen. Musiker wollen gerne mehrere Konzerte anbieten. Jedes Programm ist hart erarbeitet, da ist es schade, wenn es nur einmal vorgetragen werden kann. Das zu organisieren wäre eine schöne Aufgabe für den neuen Geschäftsführer.

Als Chefdirigent haben Sie auch Konzerte an ungewöhnlichen Orten gegeben, etwa in einem Club.
Zuckermann: Das sollten wir wieder machen. Gerade jetzt ist es wichtig, Brücken zwischen den Künsten zu bauen. Wir sollten mit Elektrokünstlern zusammenarbeiten, auf ganz anderen Konzerten auftreten, Klassik bei Partys spielen, das wirkt ganz außergewöhnlich und macht gewaltigen Eindruck. Wir werden so attraktiver für viele Menschen. Wir sollten auch mit Tänzern zusammenarbeiten, mit dem Theater, auch mit Schulen. Das ist vielleicht die wichtigste Aufgabe überhaupt. Wir müssen uns sehr anstrengen, die nachwachsende Generation für Musik zu begeistern.

Sie verfügen über nicht besonders viel Zeit, weil Sie viele andere Verpflichtungen haben. Wie wichtig ist es Ihnen, das Orchester in dieser schwierigen Phase zu unterstützen.
Zuckermann: Aber die Situation ist unglücklicherweise so, dass wir gerade relativ viel Zeit haben wegen der Corona-Krise. Ich würde das Orchester gerne so viel wie möglich unterstützen, und ich werde auch dafür die Zeit finden.

Ruben Gazarian, der ehemalige Chefdirigent des Orchesters, hat zahlreiche CDs aufgenommen. Werden Sie diese Tradition fortsetzen?
Zuckermann: Ich bin kein großer CD-Fan. Aber wenn sich eine Möglichkeit anbietet und sich das auch finanziell darstellen lässt, dann würde ich das sehr gerne machen.

Ruben Gazarian konnte bisher noch nicht richtig verabschiedet werden. Wird es dazu noch kommen, trotz Corona-Krise?
Zuckermann: Ich finde ein solches Abschiedskonzert sehr wichtig. Es ist eine Möglichkeit, ihm noch einmal zu danken. Er hat sich mit viel Engagement für das Orchester auch politisch eingesetzt. Eigentlich war das Abschiedskonzert für Februar geplant, aber dazu wird es wohl nicht kommen. Wir müssen wohl einen neuen Termin finden.

DK

Das Interview führteJesko Schulze-Reimpell.