"Man muss mit der Figur wachsen"

27.06.2006 | Stand 03.12.2020, 7:46 Uhr


Seit Mitte Mai steht Deutschlands bekanntester Musicaldarsteller Uwe Kröger als Phantom der Oper auf der Bühne in Essen. DK online-Mitarbeiter Alexander Stephens sprach mit ihm über seine neue Rolle, seine Karriere und die weitere Zukunft.

Am 14. Mai feierten Sie Premiere und gleichzeitig Ihr Debüt in der Rolle des Phantoms der Oper. Wie war´s?
Uwe Kröger: Aufregend, denn im Vergleich zu anderen Produktionen und Darstellern hatte ich aufgrund anderer Verpflichtungen nur wenige Proben, was aber andererseits auch eine gewisse Spannung gerierte. Letztlich hat alles sehr gut geklappt und ich konnte nach der Premiere in viele verweinte Augen sehen.

Inwiefern geht mit der Rolle des Phantoms ein Traum für Sie in Erfüllung?
Kröger: Als ich mit Musical vor nunmehr 20 Jahren anfing, war das Phantom die Rolle, die man spielen sollte. Fürs Phantom war ich allerdings nicht alt genug und habe deshalb als Raoul (der Widersacher des Phantoms, Anm. d. Red.) vorgesungen, für den ich damals leider auch noch zu jung war. Danach habe ich lange Zeit nicht mehr darüber nachgedacht. Als irgendwann das Angebot kam, den gleichnamigen Hollywoodfilm zu synchronisieren und dem Phantom die deutsche Stimme zu verleihen, sprang ich ein. Kurze Zeit später kam die Idee, das Phantom der Oper mit vier großen Namen der Musicalszene in Essen zu besetzen.

Worin lag denn der große Unterschied zwischen dem Film und der Bühne?
Kröger: Es ist tatsächlich das Schauspielerische. Während man sich auf der Bühne selbst einbringen kann, musste ich mich beim Film ganz auf den Hauptdarsteller Gerad Butler einstellen, was aufgrund der unterschiedlichen Konsonanten und Vokale doch schwierig war.

Wie ist es für Sie persönlich, als gutaussehender Darsteller in die Rollen eines Biestes oder jetzt eines Phantoms zu schlüpfen, die ja allesamt nicht unbedingt mit himmlischer Schönheit gesegnet sind?
Kröger: Es gibt so viele Rollen, bei denen das eigene Aussehen mitunter eine große Rolle spielt, so dass ich froh bin, das man mir die Rolle eines Phantoms oder eines Kardinal Richelieus abnimmt und sich mich in diesen Rollen auch vorstellen kann. Ich beweise halt Mut zur Hässlichkeit (lacht).

Haben Sie Sir Andrew Lloyd Webber, den Komponisten des Phantoms der Oper, je getroffen?
Kröger: Aus Anlass der deutschen Produktion von Sunset Boulevard war ich in sein Anwesen außerhalb Londons eingeladen, wo ich ihn persönlich kennenlernen durfte. Außerdem sieht er sich vor jeder Uraufführung im Ausland die Generalprobe an.

Wie viel künstlerischen Spielraum bei der Interpretation eines Phantoms oder auch anderer Musicals haben Sie als Darsteller?
Kröger: Das ist ein Geben und ein Nehmen. Eine Produktion - ob neu oder alt - ist immer auf Teamwork angelegt. Ich muß der Figur gerecht werden, eine Geschichte erzählen. Man muss also gemeinsam wachsen.

Wie bereiten Sie sich auf die jeweilige Aufführung eines Abends vor?
Kröger: Ich mache meistens etwas Sport, um die Stimme anzuwärmen und vor der Aufführung natürlich ein "Vocal Warm Up", denn der Stimmmuskel ist sehr empfindlich und dementsprechend schnell beleidigt.

Ist Musicalgesang, der ja auch viele Popelemente beinhaltet, stimmlich anspruchsvoller als reine Klassik?
Kröger: Ich habe ja eine klassische Gesangsausbildung genossen und auch gewisse stimmliche Techniken, damit ich es schaffe, bis zu acht Mal pro Woche zu singen. Aber auf der Bühne möchte ich keine tolle Technik präsentieren und in den Vordergrund stellen, sondern muss, ähnlich einer Maria Callas in der Oper, den Ton zu Gunsten der Emotion opfern, wobei man auch stimmliche Risiken eingeht. Man muss das musikalische Material sowohl beherrschen als auch damit spielen und es erleben können.

Sie sind ein bekennender Fan der Callas?
Kröger: Sie war Schütze genau wie ich. Ich bin kein Fan im herkömmlichen Sinne. Ich bewundere einfach ihre Kunst.

Wie ist denn die bisherige Resonanz mit Ihnen in der Rolle des Phantoms?
Kröger: Die Resonanz war sensationell, selbst ein bekannter Regisseur, der im Publikum saß, sagte mir anschließend, dass er nie gedacht hätte, dass es so spannend sein könnte. Allerdings bekam ich im Vorfeld auch einige anonyme Drohbriefe von einschlägigen Phantom-Fans, die mit dem Boykott der Premiere drohten.

Belastet Sie so etwas?
Kröger: Anfangs ja, weil mir Briefe, in denen mir gesagt wird, dass ich meines Lebens nicht mehr froh werde, Angst machen und ich so etwas geradezu erschreckend finde. Doch letztlich sind solch feige Briefe nicht nur unverschämt, sondern sogar anmaßend. Man kann nicht jedem gefallen und das will ich auch gar nicht. Zum Glück überwog die positive Resonanz.

Nach dem Phantom wird man Sie ab 28. September in der Welturaufführung von „Rebecca“ in Wien sehen können. Welche Figur werden Sie spielen und um was geht's in dem Musical?
Kröger: Das Musical zum gleichnamigen Hitchcock Thriller handelt von der Selbstfindung einer unscheinbaren Frau, im Stück einfach nur "Ich", die den wohlhabenden Aristokraten Maxim de Winter, den ich in der Hauptrolle verkörpere, heiratet und mit diesem auf dessen Landsitz nach Manderley zieht. Dort steht der mysteriöse Unglücksfall seiner verstorbenen ersten Frau Rebecca im Raum, während der anfangs gesellschaftsfähige und offene Maxim de Winter zunehmend jähzornig und fassungslos wird. Somit auch auf der Bühne ein richtiger Thriller, dessen Buch und Musik aus der Feder von Michael Kunze und Sylvester Levay spannende Balladen und ohrgängige Liebesduette versprechen.

Ist die neue Rolle mit denen, die Sie bisher gespielt haben, vergleichbar?
Kröger: Jede Rolle ist anders. Jedoch haben alle Rollen, die ich gespielt habe, eines gemein: Ob ein Tod, ein Phantom, ein Biest oder ein Napoleon, sie sind alle einsam, auch wenn die jeweiligen Geschichten alle anders enden.

Hat man nach 20 Jahren erfolgreicher Bühnenkarriere noch Existenzängste?
Kröger: Wenn man Sicherheit haben will, ist man hier im falschen Genre. Aber wo gibt es schon Sicherheiten.

Verraten Sie uns eine Ihrer amüsantesten Pannen Ihrer bisherigen Karriere?
Kröger: Man kann alle Pannen nennen, die vor Publikum passiert sind, und die reichen von Text vergessen, stammeln bis hin zu Unfällen auf der Bühne. Einer der lustigsten Momente war jedoch die letzte Vorstellung der 3 Musketiere in Berlin, als ich eine andere Perücke aufsetzte und aussah, als wäre ich im Gebüsch gewesen. Allerdings hatte man vergessen das Ensemble einzuweihen, das sich dann samt Publikum vor Lachen kaum halten konnten.

Letztes Jahr haben Sie im ZDF mit dem Stück "New York, New York", aber auch mit den James Bond-Medleys Ihrer aktuellen CD "Von Broadway To Hollywood" weitere Facetten Ihres musikalischen Könnens gezeigt. Möchten Sie sich in Bezug auf Ihr Repertoire langfristig anders orientieren?
Kröger: Ich habe ja schon häufig Musik aus dem Pop-Genre im weitesten Sinne gemacht, bleibe aber in erster Linie beim Musical.

Was halten Sie von Casting Shows im TV?
Kröger: Furchtbar!

Abschließend noch die journalistische Hassfrage schlechthin! Wo sehen Sie sich in den nächsten fünf Jahren?
Kröger: Ich möchte einfach weiterhin tolle Rollen spielen dürfen.

Alles Wissenswerte über das "Phantom der Oper" in Essen finden Sie auf der offiziellen Website"%>.

 

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