"Man muss Dialekt sprechen"

24.02.2020 | Stand 02.12.2020, 11:53 Uhr

Betrachtet man, mit welchem Aufwand und welcher Liebe sich die Schrobenhausener Gymnasiasten dem Dialekt ihrer Heimat zugewandt haben, dann darf man auch kurz über das Regionale hinausweisen.

Da wird nicht nur sichtbar, welcher Reichtum durch die vielen Dialekte in der deutschen Sprache liegt, es kommt auch Trauriges zum Vorschein.

Gerade in Schrobenhausen, das ab 1946 überdurchschnittlich viele Flüchtlinge und Vertriebene aufgenommen hat, waren in den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem in den Heimatverbänden der Egerländer oder Böhmerwäldler auch nichtbayerische Klänge zu vernehmen. Mittlerweile hört man kaum noch davon, die erste Generation der Betroffenen ist so gut wie weggestorben.

An dieser Stelle wird aber deutlich, was die zwölfjährige Naziherrschaft neben Millionen Toten in Rassenwahn und Krieg an Kulturschäden hinterlassen hat; davon sind auch große Teile der deutschen Sprache betroffen. Das Ostpreußische ist verloren, ebenso das Schlesische, da sind auch Tonarchive der Sprachwissenschaftler kein Trost. Das Prager Deutsche, eine Färbung, die große deutsche Dichter wie Rilke, Kafka oder Werfel zuhause gesprochen haben, ist Geschichte. Und was in den Filmen vom Soldaten Schwejk noch gern gehört wird, ob mit Fritz Muliar oder Heinz Rühmann, ist bestenfalls Parodie.

Jeder Dialekt verfügt neben dem Klang auch über zusätzlichen Wortschatz, für den es in der Hochsprache zwar Entsprechungen gibt, aber die Dialektbegriffe sind häufig genauer und feiner. Man muss Dialekt sprechen, ihn bewahren, das ist im besten Sinne konservativ.

Franz-Josef Mayer