Kelheim
"Man kann nicht viel falsch machen"

Erwin Engeßer vom Bund Naturschutz Kelheim gibt Tipps, wie jeder Gutes für Singvögel tun kann

30.01.2020 | Stand 02.12.2020, 12:05 Uhr
Nach Amseln und Drosseln hält Erwin Engeßer, Ansprechpartner vom Bund Naturschutz Kelheim, im heimischen Garten Ausschau. −Foto: Schabenberger

Kelheim - Seinen Garten hat Erwin Engeßer (kleines Foto) in ein Vogelparadies verwandelt. Er ist der Ansprechpartner für den Bund Naturschutz in Kelheim. Er leitete viele Jahre den Staatsforstbetrieb Kelheim und ist jetzt im Vorruhestand. Außerdem war er einige Zeit im Landkreis Regensburg Leiter der Forstverwaltung. Im Gespräch mit dem DONAUKURIER berichtet Engeßer, wie jeder Singvögeln etwas Gutes tun kann.



Herr Engeßer, der Winter ist die Jahreszeit der Vogelhäuser. Lieber kaufen oder selbst zimmern?

Erwin Engeßer: Das Vogelhäuschen kann man sich selber bauen oder kaufen. Das ist egal. Wichtig ist nur, dass es nicht zu groß ist. Die Vögel sollen sich nicht hineinsetzen können, damit sie nicht auf das Futter koten. Sonst kommen Krankheitserreger hinein und das ist hygienisch nicht einwandfrei. Darum sollten es kleinere Vogelhäuschen sein, auf die sich die Tiere außen setzen und von dort das Futter aufnehmen. Das darf übrigens nicht nass werden: Ein Dach muss es deswegen vor Regen und Schnee schützen.

Gibt es einen idealen Platz im Garten für ein Vogelhaus?

Engeßer: Die Stellen für Futterhäuschen müssen gut überlegt sein. Vogelhäuser sollen an Orten hängen, an die Katzen nicht hinkommen. Dornenhecken sind eine gute Abwehr gegen Feinde. Dadurch haben es Katzen und auch Greifvögel schwer. Ein Vogelhaus sollte mindestens zwei Meter Abstand zu den nächsten Büschen haben, damit sich Katzen nicht anschleichen können.

Bunte Vogelhäuser sind momentan der letzte Dekoschrei. Irritiert das Vögel?

Engeßer: Ich denke, dass die Farben keine Rolle spielen. Viel wichtiger ist, dass ein qualitativ hochwertiges Futter ausgebracht wird. Da gibt es unterschiedliche Bedürfnisse. Finken zum Beispiel sind Körnerfresser. Die brauchen ein anderes Futter als Amseln oder Rotkehlchen. Sie fressen eher weiche Samen. Die Meisen und die Spatzen sind wenig wählerisch.

Welches Futter ist dann am besten geeignet?Engeßer: Es gibt zum Beispiel Fettfutter. Dabei sind bestimmte Körnermischungen in Fettplatten gepresst. Wenn es sehr kalt ist, wird Fett besonders wichtig. Denn es ist sehr energiereich. Es gibt auch Körnermischungen mit Sonnenblumenkernen und mit anderen Sämereien. Die Auswahl ist riesig. Man soll im Winter grundsätzlich eine gewisse Vielfalt anbieten. Interessierte finden auf den Seiten vom Landesbund für Vogelschutz oder beim Bund Naturschutz nützliche Tipps.

Wie sieht es mit Futterknödeln aus?

Engeßer: Knödel kann man aufhängen, aber man muss sie vorher aus dem Netz holen. Sonst ist es für Vögel gefährlich. Darin können sie sich mit den Beinen oder dem Schnabel verheddern.

Gibt es noch etwas, worauf Vogelliebhaber beim Futterkauf achten müssen?

Engeßer: Es gibt ein Problem: die Ambrosiapflanze. Diese Pflanze ist aus Nordamerika eingeschleppt worden. Sie löst bei Menschen Allergien aus. Man liest immer wieder, dass durch verunreinigtes Futter diese Ambrosiapflanzen ausgebracht werden. Also sollte man darauf achten, dass man ambrosiasamenfreies Vogelfutter kauft.

Woher haben Sie Ihr Vogelfutter?

Engeßer: Die Vogelschutzorganisationen bieten Vogelfutter an. Da gehe ich davon aus, dass das die beste Qualität hat. Ich habe meines über den Landesbund für Vogelschutz bestellt.

Bei passender Auswahl sind bestimmt viele Gäste am Vogelhäuschen.Engeßer: Mit Kohlmeisen, Blaumeisen, Tannenmeisen, Grünfinken, Rotkehlchen, Spatzen oder Drosseln kann man rechnen. Kleiber, Stieglitze und Zeisige kommen gelegentlich. Seltenere Gäste sind der Buntspecht oder der Grünspecht.

Wie lange sollen Vogelfreunde die Tiere füttern?

Engeßer: Im Winter ist die Not für die Vögel am größten. Aber mittlerweile ist es so, dass Ornithologen und Wissenschaftler sagen, man soll die Vögel das ganze Jahr über füttern. Der Grund: Die Feldflora ist durch intensive Landwirtschaft, durch Flurbereinigung, durch Beseitigung von Hecken, Wasserläufen, Feldgehölzen und vor allem durch den Pestizideinsatz artenarm geworden. Also ist es durchaus sinnvoll, das ganze Jahr in den Siedlungen und in den Gärten zu füttern. Mittlerweile ist es so, dass es in den Siedlungsbereichen oft mehr Artenvielfalt gibt als in der Feldflora. Das ist sehr traurig.

Woran liegt das?

Engeßer: Nahrungsketten brechen weg, wenn durch Spritzmittel die sogenannten Unkräuter und Insekten eliminiert werden. Dann fehlt die Nahrungsgrundlage für viele Vogelarten. Wenn zusätzlich noch der Lebensraum - wie zum Beispiel Hecken - weggenommen wird, haben sie keine Möglichkeit, Unterschlupf zu finden und letztlich zu überleben. Das Problem ist ganz klar die großflächige, intensive Landwirtschaft mit zu vielen Pestiziden und einem starken Düngereinsatz. Dabei bleiben nur Kulturpflanzen, kein Raum und keine Nahrung für Vögel übrig.

Das wirkt sich vermutlich auch auf den Vogelbestand aus.

Engeßer: Experten sagen, dass die Masse der Singvögel in Deutschland um 70 Prozent abgenommen hat in den vergangenen 15 Jahren.

Wie können Menschen Vögel im Sommer außer mit Futter unterstützen? Engeßer: Außer Futter ist wichtig, dass im Sommer die Gärten sehr vielfältig und artenreich sind. Dadurch finden die Vögel natürliches Futter: Im Garten sollen möglichst viele heimische Kräuter sein und zahlreiche Pflanzen blühen. Vor allem Staudenpflanzen mit Samen soll man im Herbst noch nicht zurückschneiden. Das ist natürliches Vogelfutter. Man kann auch mit Nistkästen und Nisthilfen einiges machen.

Und sonst?

Engeßer: Es ist ganz wichtig, nicht nur zu füttern, sondern auch Wasser anzubieten. Es gibt zum Beispiel Vogeltränken. Ideal wäre aber, wenn man einen Tümpel im Garten hat. Das ist ein natürlicher Lebensraum - auch für andere Tiere. Ein Tümpel im Garten bringt unheimliche Vielfalt und Leben. Wir haben so einen Tümpel daheim. Im Sommer ist dort ständig Betrieb.



Hier tummeln sich bestimmt auch zahlreiche Insekten.


Engeßer: Man bietet im naturnahen Garten Lebensraum für viele Vogelarten. Wenn man dann noch etwas tut dafür, dass es wieder mehr Bienen, Insekten und anderes Getier gibt - das sind ja wieder die Nahrungstiere für die Vögel - dann passen auch die Nahrungsketten. Es geht dabei immer um Unterschlupfmöglichkeiten und um die Nahrung für die Vögel.

Das heißt, Vögel das ganze Jahr über entsprechend zu füttern, ist ein Gewinn für viele Tiere.

Engeßer: Man kann nicht viel falsch machen. Wer Vögel das ganze Jahr über füttert, tut wirklich etwas Gutes.

Die Fragen stellte

Laura Schabenberger.