Nürnberg
"Man kann es keinem mehr recht machen"

Aufruhr wegen toter Gänse in Nürnberg - Bürgermeister und Jäger sehen sich zu Unrecht am Pranger

24.08.2018 | Stand 23.09.2023, 3:54 Uhr
Zum Abschuss freigegeben waren ab 1. August die Gänse am Wöhrder See. −Foto: Tierheim Nürnberg

Nürnberg (DK) Nach dem Abschuss von acht Grau- und Kanadagänsen am Wöhrder See ist der Aufschrei in Nürnberg groß. Tierschützer wettern gegen die Stadt.

Den allermeisten Zorn bekommt der zuständige Zweite Bürgermeister Christian Vogel (SPD) zu spüren, weil er die Gänse zum Abschuss freigegeben hat. Im Internet wird der Stellvertreter von Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD) teilweise scharf angegriffen und persönlich beleidigt. "Die Jagd auf Gänse ist ein ganz normaler Vorgang", verteidigte Vogel in dieser Woche auf Anfrage die Aktion. Er könne bei der Gänsejagd keinen Unterschied zur Jagd auf Wildschweine, Rehe oder Hasen feststellen. "Damit müssen wir vernünftig umgehen", forderte Vogel, der nach der Abschussaktion sogar Morddrohungen erhalten habe. "Ich erwarte in keinem Fall, dass alle mit dem Vorgehen einverstanden sind. Ich erwarte aber sehr wohl, dass man sich mit dem Sachverhalt vernünftig auseinandersetzt. Drohungen, Gewalt und Hass sind in diesem Zusammenhang sicherlich das falscheste Mittel", sagte Vogel hierzu.

Selbstverständlich stehen auch die Stadtjäger in der Kritik. Diese hätten das Federvieh teilweise nicht richtig getroffen und dadurch lange leiden lassen, lautet der Vorwurf. Auf die Gänsejagd haben sich die Waidmänner bereits am vergangenen Wochenende begeben. In aller Herrgottsfrühe haben die Jäger die Tiere ins Visier genommen. Die Stadt hatte die Gänsejagd mit Verweis auf die Verschmutzung der beliebten Stadtstrände kürzlich erlaubt. Bereits nach dieser Grundsatzentscheidung war die Empörung groß.

Normalerweise veröffentlicht das Tierheim Nürnberg süße Fotos von Hunden und Katzen auf seiner Facebook-Seite. Nach der ersten Gänsejagd schaut die Seite der Tierfreunde deutlich anders aus. Auf Bildern werden die erlegten Gänse vom Wöhrder See gezeigt. Darauf sind die die Tiere tot am Strand liegend zu sehen. Dazu hat das Tierheim folgenden Erlebnisbericht wiedergegeben: Eine verzweifelte Frau habe sich beim Tierheim gemeldet. Seit 6 Uhr morgens würden die ersten Gänse eiskalt abgeknallt. Ein Tier sei nicht richtig getroffen worden und musste "über eine Stunde" um sein Leben kämpfen. Die angeschossene Gans sei vermutlich verblutet. Und weiter schreibt das Nürnberger Tierheim: "Unser Notdienst konnte ihr [der Gans] leider auch nicht mehr helfen. Wir sind entsetzt, schockiert und fassungslos!" Das "Monster Mensch" habe laut Tierheim "mal wieder" zugeschlagen.

Zusätzlich hat das Tierheim ein Video veröffentlicht, dass offensichtlich die Frau von den toten Gänsen am Wöhrder See gefilmt hat. Auch Bürgermeister Vogel scheint das Gänseleid am Stadtstrand nicht unberührt zu lassen. Wenn ein Tier bei der Jagd nur verletzt, dann aber möglicherweise übersehen wurde, wäre dies ein Fehler, der nicht in Ordnung sei. Hier stehe laut Vogel allerdings Aussage gegen Aussage. "Wenn es aber wirklich so war, kann ich mich nur dafür im Namen des Jagdpächters und der Jäger entschuldigen", betonte Vogel gegenüber unserer Zeitung. In der aufgeheizten Debatte dürfe man nicht vergessen, dass die Untersuchung des Gänsekotes ergeben hätte, dass die darin enthaltenen Bakterien zu Magen-Darmerkrankungen bei Besuchern des Wöhrder Sees führen können.

Die Jäger selbst sehen sich zu Unrecht am Pranger. "Man kann es keinem mehr recht machen. Die einen wollen einen sauberen Strand, die anderen wollen kein Tier töten", sagt Margit Reiß, zweite Vorsitzende des Nürnberger Jagdschutz- und Jägerverbandes. Die Stadt sei in der Zwickmühle, ist sich Reiß, die persönlich nicht an der Jagd teilgenommen hat, sicher. Die Jäger könnten nur versuchen, Aufklärungsarbeit zu leisten. Besonders in den Städten würde die Bevölkerung immer mehr die Augen vor der Realität verschließen.

Auf diese versucht auch Bürgermeister Christian Vogel trotz aller Aufregung hinzuweisen. Die Bejagung der Gänse, die am Wochenende in Nürnberg durch die Jäger stattgefunden habe, sei lediglich ein "einzelner Spiegelstrich" in dem Gesamtkonzept. Die Fütterung der Gänse durch vermeintlich tierliebe Besucher sei die eigentliche Hauptursache für die hohe Zahl der umstrittenen Schnattertiere am Wöhrder See.

Nikolas Pelke