Ingolstadt
"Man hat etwas mehr Druck"

Ingolstädter U 19-Radsportler Patrick Haller über seine Kapitänsrolle, seine Zukunft und seinen Traum

02.06.2015 | Stand 02.12.2020, 21:14 Uhr

Talentsichtung: Patrick Haller (Mitte) beim Team Giant Alpecin mit Profi Johannes Fröhliger (rechts). Durch seine guten Leistungen beim Team Auto-Eder und der Nationalmannschaft machte der U 19 Radrennfahrer auf sich aufmerksam. - Foto: Roth

Ingolstadt (DK) Der Ingolstädter Radsportler Patrick Haller ist erfolgreich in die Saison gestartet. Bei den U 19-Junioren hat sich seine Rolle auch innerhalb der Nationalmannschaft verändert. In unserem Interview spricht der 18-Jährige über die Saison, seine Ziele und das deutsche Team Giant Alpecin.

Drei Siege: Der Mai ist perfekt für Sie gelaufen.

Patrick Haller: Ja, ich bin zufrieden. Der Formanstieg ist spürbar.

Dabei gab es in dieser Saison ja eine große Veränderung: Sie sind nun das erste Jahr Kapitän. Was ist anders?

Haller: Im Team Auto Eder war ich im vergangenen Jahr in einzelnen Rennen bereits Kapitän. Aber in dieser Saison bin ich nun erstmals auch in der U 19-Nationalmannschaft in der Führungsrolle. Nun erhalte ich die Unterstützung meiner Teammitglieder, beispielsweise im Sprint. In der vergangenen Saison musste ich die anderen unterstützen.

Was bedeutet das, ein Team zu führen?

Haller: Das heißt, ich muss das Team koordinieren. Beispielsweise muss ich während der Rennen entscheiden, in welche Ausreißergruppen sie mitgehen sollen oder wann das Team Führungsarbeit leisten soll.

Was bedeutet das für Sie persönlich?

Haller: Man hat etwas mehr Druck, weil ich ja noch mehr für ein gutes Teamergebnis verantwortlich bin. Aber es ist natürlich eine tolle Aufgabe für mich, um mich als Rennfahrer weiterzuentwickeln. Ich lerne so ein Rennen noch besser lesen und verfeinere mein Gespür für das Renngeschehen.

Wo sehen Sie eher Ihre Zukunft: auf der Bahn, oder auf der Straße?

Haller: Momentan eher auf der Straße. Es gab eine Überlegung, ob ich an der Europameisterschaft auf der Bahn in der Schweiz teilnehmen soll. Aber das wäre zeitlich ein zu großer Aufwand gewesen. Da hätte ich den kompletten Juli auf der Bahn trainieren müssen. Das wäre für meine Vorbereitung für die Straßen-Weltmeisterschaft im September schlecht. Deshalb werde ich nun die Straßen-Europameisterschaft in Estland und als Höhepunkt die WM in den USA fahren. Das sind meine beiden großen Ziele in dieser Saison.

Was sind Ihre sonstigen Pläne für diese Saison?

Haller: In diesem Jahr habe ich große Fortschritte im Zeitfahren gemacht. Deshalb plane ich bei der Deutschen Meisterschaft Ende Juni in Einhausen und Bensheim vielleicht einen Doppelstart, im Zeitfahren und beim Straßenrennen. Darauf arbeite ich momentan hin.

Wie trainiert man das Zeitfahren?

Haller: Für das Zeitfahren habe ich mehr Motortraining gemacht. Hinter einem Roller wird das Renntempo einige Minuten lang gefahren. Das Ziel ist, die großen Gänge mit hoher Frequenz zu treten. Bei einem normalen Training ist dies in dieser Intensität nicht möglich.

Wo trainieren Sie dies?

Haller: Gut eignen sich dafür die langen Geraden bei Karlskron. Die fühlen sich bei dem hohen Tempo dann auch gar nicht mehr so lange an und gehen schneller vorbei (lacht).

Was ist nun Ihr nächstes Rennen?

Haller: Am Donnerstag beginnt im Saarland ein Weltcup-Rennen. Die Rundfahrt umfasst drei Etappen und ein Zeitfahren. Von der Nationalmannschaft sind sechs Deutsche am Start. Bei den zwei vorangegangenen Weltcups in diesem Jahr war ich 19. und 12.. Deshalb wäre nun ein Top-Ten-Resultat schön. Ich bin optimistisch, denn im vergangenen Jahr war ich dort schon gut unterwegs.

Wer sind Ihre größte Konkurrenten?

Haller: Die Russen, Norweger und Dänen sind sehr stark.

Was machen die anders?

Haller: Sie haben früher angefangen mit ihrer Rennsaison. Sie sind bereits im Januar die ersten Wettkämpfe gefahren, wir erst Ende März. Dadurch haben sie bereits eine gute Form und viele Rennkilometer in den Beinen.

Das heißt aber auch, dass sie vielleicht zur WM im September müde sind.

Haller: Stimmt. In der vergangenen Saison war es ähnlich. Sie starteten zu Beginn stark und wurden zum Ende hin schwächer. Unser Formaufbau zielt aber auf die WM.

Im vergangenen Jahr war die U 19-Nationalmannschaft bei der WM mit zwei Goldmedaillen im Zeitfahren und beim Straßenrennen sehr erfolgreich. Wie schwer wird es, dies zu wiederholen?

Haller: Das wird schwierig. Was mich aber positiv stimmt: Wir sind als Team im vergangenen Jahr auch zum Ende der Saison noch stärker geworden und haben unsere Form kontinuierlich für die WM gesteigert. Deshalb hoffe ich, dass uns dies wieder gelingt. Dann ist vieles möglich.

Wie lauten die Pläne für das nächste Jahr?

Haller: Momentan schauen wir uns schon für ein Team für kommende Saison um. Wichtig sind dabei natürlich auch gute Ergebnisse in diesem Jahr. Denn diese fließen in die Bewerbung für die Teams ein. Mein Ziel ist, ein Top-Team zu finden. Davon hängt dann auch meine weitere Zukunft ab. Bislang schaut es aber ganz gut aus.

Sie sprachen von einer Bewerbung für die Teams. Wie schaut eine solche aus?

Haller: So ähnlich wie bei einer Berufsbewerbung. In der Bewerbung stehen beispielsweise die Erfolge, die man bislang errungen hat. Die guten Teams informieren sich aber bereits im Vorfeld über den jeweiligen Fahrer. Beispielsweise bei Talentsichtungstagen.

Gab es bei Ihnen bereits ein solches?

Haller: Vor Kurzem war ich zu Gast bei dem deutschen Team Giant Alpecin (Team von Paris–Roubaix-Sieger John Degenkolb, d. Red.). Insgesamt wurden dabei zehn Sportler von den U 19 und U 23 aus Deutschland und den Niederlanden in ein Ferienhaus in die Eifel eingeladen. Von Giant Alpecin waren Trainer da, die uns beobachtet hatten. Es wurde also nicht nur das Training und der Leistungsstand beurteilt, sondern auch das soziale Verhalten. Das ist für das Team wichtig, weil sie dabei erkennen können, ob derjenige Fahrer auch vom Charakter ins Team passt. Außerdem war die ARD vor Ort, hat uns gefilmt und interviewt. Der Beitrag wird während der Tour de France gezeigt.

Wie groß sind Ihre Chancen, bei einem solchen Team unterzukommen?

Haller: Schwer zu sagen. Es wäre aber mein Traum, einfach perfekt, für Giant Alpecin zu fahren. Insgesamt hat dieses Team 26 Fahrer im Kader. Sie setzen mit ihrer deutschen Lizenz nun mehr auf deutsche und holländische Fahrer. Eventuell steht auch der Aufbau eines Nachwuchsteams zur Debatte.

Das Interview führte

Timo Schoch.