Roth
"Mama Bavaria" lässt sie nicht mehr los

Luise Kinseher macht sich in der Kulturfabrik Roth viele Gedanken über Bayern

10.10.2019 | Stand 23.09.2023, 8:55 Uhr
Mamma Mia Bavaria: Luise Kinseher hat es nicht immer leicht mit ihren 13 Millionen Kindern. −Foto: Foto: Tschapka

Roth (HK) Ihre langjährige Rolle der bayerischen Patronin "Bavaria" beim Politiker-Derblecken auf dem Nockherberg lässt Luise Kinseher offenbar nicht mehr los.

Bei ihrem Auftritt am Mittwoch in der Rother Kulturfabrik hat sie als "Mamma Mia Bavaria" auf der Bühne gestanden und über ihre Heimat Bayern, über die Geschichte und natürlich über die Bewohner des Freistaats - ihre immerhin 13 Millionen "Kinder" - gesprochen.

Aufgewachsen ist sie im niederbayerischen Geiselhöring, "wo die Getreidespeicher höher als der Kirchturm sind und die CSU immer mehr als hundert Prozent" erzielen würde. Daher wirft sie auch nach ihrer Zeit als Festrednerin ein Auge auf die Politik. "Beim Nockherberg habe ich auf die Politiker eingeredet wie auf taube Ochsen, gebracht hat das jedoch nix", seufzt sie.

Eigentlich wäre sie als Bavaria gerne Ministerpräsidentin geworden, schließlich hatte Bayern zwar viele Könige, aber noch nie eine Königin. "Von Ludwig II. einmal abgesehen", so Kinseher. Der später gekommenen Modedesigner Rudolph Moshammer und die Schlagerikone Patrick Lindner würden schließlich nicht zählen.

Zwar stünde an der Münchner Theresienwiese, wo gerade erst das Oktoberfest zu Ende gegangen ist, ihr zu Ehren eine große Statue, aber darüber ist sie nicht gerade glücklich. "Wer kam denn auf die Idee mit diesem Bärenfell? Und diese Frisur- wie von Marge Simpson", schimpft sie. Auch benötige sie kein Schwert, um die Feinde Bayerns in die Flucht zu schlagen: "Mir genügt ein Nudelholz. " Wie gerne würde sie aussehen wie Botticellis "Venus", die graziös und elegant aus einer Muschel steigt, stattdessen wurde sie mit einem überdimensionierten Taubenklo verewigt, an dem sich nicht nur zu Zeiten des Oktoberfests die Wildpinkler vergehen.

Auch die anderen altehrwürdigen Symbolgestalten, mit denen sie sich immer am Stammtisch trifft, hätten es nicht leicht: die Frankonia, Mütterchen Russland und nicht zuletzt die vor New York im Wasser stehende Lady Liberty. "Die schaut aber ganz schön schlecht aus", sagt sie über ihre Kollegin.

Da sei es in Bayern dann doch schöner, wenngleich sich die hiesige Landschaft mit ihren Wiesen, Wäldern und Tälern vielen Bedrohungen gegenüber sehe. Dem Borkenkäfer zum Beispiel. Oder, noch viel gefährlicher: dem "Flächenfraß". Übertragen werde dieser von Schmiergeldern und von Landräten, dagegen sei einfach kein Kraut gewachsen.

Und auch die reichhaltige bayerische Essenskultur sieht sie bedroht. "Seit Alfons Schuhbeck seine 95 Kochbücher an das Münchner Rathaus genagelt hat, gibt es den Schweinebraten nur noch mit Ingwer", so Kinseher. Knödel dazu gibt es auch immer weniger, "weil die Bauern keine Helfer mehr für die Knödelernte finden".

Heimat, das sei für viele Münchner die Erinnerung an bezahlbare Einzimmerwohnungen. "Viele müssen stattdessen jetzt im Auto leben, im Stau auf dem mittleren Ring. Bis zu ihrem Lebensende, dann zerfallen sie zu Feinstaub. " Die Glücklichen, die sich noch eine eigene Wohnung leisten können, verlassen diese sicherheitshalber gar nicht mehr. Eine Freundin von ihr suchte für ihren sechsjährigen Sohn bereits jetzt eine Wohnung. "Damit erhöht sich die Chance, dass der Bursche mit 30 endlich ausziehen kann", erklärt sie.

Es ist schlecht bestellt um ihre Heimat Bayern, daran ändert auch ihre gekonnte Jodeleinlage nicht. Sogar das Wirtshaussterben schreite voran. "Obwohl nur dort die Wahrheit zu finden ist", glaubt Kinseher, und berichtet von ihren früheren "Reinkarnation" als Wirtin zu Zeiten von Marie von Preußen, der Mutter des Märchenkönigs Ludwig II. "Die Bayern hören nicht gerne, dass ausgerechnet ihr ?Kini' der Sohn einer Preußin ist", weiß Kinseher.

Sie fragt ins Publikum, ob denn dort auch Preiß'n anwesend seien. Ein Mann meldet sich, geboren zwar in Prag, aber in Kiel aufgewachsen. "Das gilt auch. Der Bayer differenziert halt nicht gerne. Für den gibt es nur Preußen und Chinesen", weiß Kinseher, die ganz am Schluss ihrer zweistündigen Reise durch die Heimat noch eine chinesische Version des Spider-Murphy-Klassikers "Skandal im Sperrbezirk" zu bieten hat.

Tobias Tschapka