München
Malerei vor der Moderne

Das Münchner Lenbachhaus zeigt eine Schau über das 19. Jahrhundert mit Werken aus eigenem Bestand

25.11.2019 | Stand 23.09.2023, 9:37 Uhr
Die Kunst, "die richtige Farbe auf den richtigen Fleck zu setzen" steht im Mittelpunkt der neuen Ausstellung im Lenbachhaus. Zu sehen ist das auch bei Carl Spitzwegs Gemälde "Jugendfreunde" aus dem Jahr 1855. −Foto: Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau, München

München (DK) Es ist wie ein Blick aus dem Fenster: Locker hingestreute Baumgruppen gliedern eine weite Landschaft mit grünen Wiesen, und in einem flachen Gewässer spiegelt sich das Blau des Himmels, der rund zwei Drittel der Leinwand einnimmt.

Ganz dünn und pastos sind die Farben aufgetragen, die Betrachter glauben, die Frische und Kühle des Morgens zu spüren. Die "Viehweide" hat der österreichische Landschaftsmaler Ludwig Willroider 1872 gemalt, und die Vielzahl an Grüntönen, die er einsetzte, verdient eine besondere Beachtung.

Verschiedene Aspekte der Malkunst führt nun eine Ausstellung im Lenbachhaus vor Augen unter dem Titel "Das Malerische - die Kunst, die richtige Farbe auf den richtigen Fleck zu setzen".

Es ist Aufgabe eines Museums, den eigenen Bestand an Kunstwerken immer wieder neu ins Licht zu setzen. Das großformatige Leinwandbild von Willroider, eine Leihgabe der Bayerischen Landesbank, war bisher nie ausgestellt. Da es unverglast ist, lässt sich hier besonders gut aus der Nähe erkennen, wie der Maler winzige Punkte und Striche setzt in Weiß, Gelb, Braun, Schwarz, Blau und Grau, die das Auge des Betrachters dann als verschiedene Grüntöne wahrnimmt. Ziel dieser Naturmalerei war es, den tatsächlichen Eindruck vor Ort wiederzugeben - und da haben eben die Gräser der Wiesen sowie die Blätter verschiedener Baumarten in der Nähe und in der Ferne ganz unterschiedliche Grün-Nuancen.

Grün ist eine der schwierigsten Farben der Malerei. Eine Vitrine zeigt die Pigmente in Pulverform, die mit Öl und anderen Bindemitteln angerührt werden konnten. "Grüne Erde" ist ein natürlich gewonnenes Pigment; Häufiger sind chemisch hergestellte Grün-Nuancen. Die aber waren den Malern "vor der Moderne" zu grell, das Grün aus der Tube war als "Spinat" verpönt. Deshalb wurden Farben abgetönt mit Braun oder mit Schwarz, um sie sanfter und der Natur ähnlicher zu machen. Erst die Expressionisten wagten es, unvermischte Farben auf die Leinwand zu setzen.

Die Ausstellung führt vor, wie brauntonig die damals geschätzte Malerei war - nicht nur an Bildern der Autodidakten wie Wilhelm Busch und Carl Spitzweg, sondern auch an Studien der französischen "Schule von Barbizon", die stilbildend war. Kleinformatige Ölbilder mit pastos gespachtelten Farbschichten zeigen Blicke ins Waldesdickicht, sodass im Schatten der Bäume kaum der Jäger ausgemacht werden kann, aber auf der Lichtung Blätter und Stämme im Sonnenlicht aufleuchten. Wie schwer es offensichtlich war, sich in die Ölmalerei einzuüben, zeigt ein Bild von Wilhelm von Diez aus dem Depot mit dem Titel "Der Überfall": Große Bereiche des Farbauftrages wurden wieder abgekratzt und der graue Himmel wirkt so fleckig und schwer, dass das Bild als unvollendet - wenn nicht gar als misslungen - betrachtet werden muss.

In Vollendung beherrscht freilich Lovis Corinth die Kunst, die Duftigkeit von Blüten und Blättern auf die Leinwand zu pinseln, mit Farben, die er vermalt, verreibt, tupft und strichelt. Für ein Gemälde - ein Geburtstagsgeschenk für seine Frau - hat er alle Blumen, die im Gewächshaus und im Garten aufgeblüht waren, auf einem Tisch arrangiert und in nur drei Tagen dieses nie welkende Blüten-Stillleben festgehalten. Die Ausstellung will den Blick der Betrachter auf solche Kunstfertigkeit lenken. So spannend das Thema ist - für den Laien, der nie einen Pinsel in der Hand gehalten hat, wären freilich anschauliche Erläuterungen zu Maltechniken hilfreich in einer Schau, die rund zwei Jahre gezeigt wird.

"Das Malerische", Lenbachhaus München, geöffnet täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr, dienstags bis 20 Uhr.

Annette Krauß