München
Malerei und Filme von Ellen Gallagher im Münchner Haus der Kunst

06.03.2014 | Stand 02.12.2020, 22:59 Uhr

Die afrikanisch-amerikanische Künstlerin Ellen Gallagher vereint Elemente aus Mythen, Natur, Kunst und Sozialgeschichte. Diese Arbeit von 2006 trägt den Titel „Dirty O’s“. - Foto: Gallagher/Haus der Kunst

München (DK) Das Meer mit seinen kleinsten Lebewesen und die Identität von Schwarzafrikanerinnen – das sind zwei wichtige Themengebiete, mit denen sich die afrikanisch-amerikanische Künstlerin Ellen Gallagher auseinandersetzt. Ihre Ausstellung über 20 Jahre künstlerisches Schaffen hat die Londoner „Tate Modern“ vorbereitet – jetzt hat der dortige Direktor Chris Dercon die Schau an seinen früheren Wirkungsort weitergereicht.

Im Münchner Haus der Kunst kann sich die Künstlerin nun in riesigen Räumen entfalten unter dem Titel „AxMe“ – eine Anspielung auf einen amerikanischen Cartoon und auf die umgangssprachliche Abwandlung von „Ask me“ – „Frage mich“.

Die 1965 in Providence (Rhode Island) geborene Gallagher mischt die Techniken bildlicher Darstellung auf unkonventionelle Weise. Beispielsweise überklebt sie Leinwände mit Papierbögen, die sie bemalt, darauf klebt sie Applikationen aus farbigem Plastilin, um schließlich die Malerei mit einem Lack zu überziehen. So entstehen riesige Wandbilder aus 396 Einzelelementen – und dafür sind die Wände im Obergeschoss gerade groß genug.

Material für ihre Collagen findet die Künstlerin in alten Magazinen, deren Werbeanzeigen Afro-Amerikanerinnen vorführen, wie sie ihr Haar glätten und ihre Haut bleichen können. Diese Prozeduren folgen einem Schönheitsideal, das die eigene Identität leugnet – und genau das hinterfragt Gallagher mit ihren Arbeiten. Andere Wandbilder und Aquarelle beschäftigen sich mit der Meereswelt. Biografischer Hintergrund: 1986 verbrachte Gallagher ein Semester an Bord eines Forschungsschiffs, um das Wanderverhalten von Pteropoden – mikroskopisch kleinen Schnecken – zu erforschen. Sie fertigte Zeichnungen an. Diese Erfahrung kombiniert sie mit dem Mythos eines afrikanischen Atlantis auf dem Meeresboden, genannt „Drexciya“. Gegründet wurde es der Legende nach von jenen schwangeren Afrikanerinnen, die auf Sklavenschiffen in die USA verschifft werden sollten und die von Bord gesprungen sind oder gestoßen wurden. Ihre Kinder konnten, so der Mythos, unter Wasser atmen – der Unterwasser-Ort wird zu einem gelobten Land, in dem die Wasserbewohner die Frauen beschützen.

Nicht nur in Arbeiten auf Papier und Leinwand gestaltet die Künstlerin diese Fantasiewelt, sondern auch auf Dias und 16-Millimeter-Filmen, die in abgedunkelten Räumen und in einer Art Medien-Box gezeigt werden. Der Münchner Kurator Ulrich Wilmes geht sogar so weit, von einer „Neu-Definition des Begriffs Malerei“ zu sprechen, wenn er die Arbeiten von Gallagher hervorhebt, weil jedes Bild aus mehreren Schichten aufgebaut sei und diese jeweils viele Inhalte aus Musik, Literatur, Kunstgeschichte, Sozial- und Naturgeschichte transportieren könnten. Das freilich ist gerade nichts Neues, sondern war schon immer der „Mehrwert“ von Malerei.

 

Haus der Kunst, Prinzregentenstraße 1, München, bis 13. Juli, geöffnet täglich von 10 bis 20 Uhr, donnerstags bis 22 Uhr.