Eichstätt
"Magie an der Macht"

Eröffnung des Lese-Festivals "LiteraPur19" mit María Cecilia Barbetta

04.06.2019 | Stand 23.09.2023, 7:16 Uhr
María Cicilia Barbetta eröffnete das Literapur-Festival am Montagabend im International House. −Foto: Buckl

Eichstätt (EK) Am Sonntag war sie noch in Bolivien, für Dienstagabend stand ein Auftritt in Berlin auf dem Programm, und die zweite Wochenhälfte verbringt sie in Rom. Dazwischen gastierte sie am Montagabend in Eichstätt und sorgte für eine fulminante Eröffnung des Festivals "LiteraPur19". Mit María Cecilia Barbetta hatte das in der Region längst höchst renommierte Lesefest gleich einen "Hochkaräter" für den Auftakt gewonnen, denn erst am vorvergangenen Freitag war die aus Argentinien stammende und nun in Berlin lebende Autorin mit dem Dresdner Adalbert-Chamisso-Preis ausgezeichnet worden.

 


Das rund 80-köpfige Auditorium im "International House" der Uni am Marktplatz gewann die mit Charme, Witz und Verve anschließend auftretende Preisträgerin im Handstreich, als sie ihren aktuellen Roman "Nachtleuchten" vorstellte, der im vorigen Herbst auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises gelandet war. Die Handlung führt in das Jahr 1974 und spielt im Milieu der kleinen Leute in Ballester, einem Viertel von Buenos Aires, in welchem Barbetta 1972 geboren wurde und aufwuchs. Da etliche Partien in "Nachtleuchten" offensichtlich autobiographisch geprägt sind, spiegeln sich manche Momente ihrer Vita in der jungen Protagonistin Teresa, die das "Instituto Santa Ana" besucht, eine katholische Mädchenschule, zu deren Lehrerinnen Soeur Maria gehört, eine progressive Nonne, welche fasziniert ist von den Ideen des Zweiten Vaticanums und mit der Vespa in die Armenviertel rattert, um den Kindern dort Unterstützung zu bringen.
Teresa erlebt ebenso wie die weiteren Figuren des Romans, etwa ein anarchistischer Bäcker, Arbeiter aus der Autowerkstatt "Autopia", oder der schwule Friseur Celio aus dem Salon "Ewige Schönheit" eine Zeit des Umbruchs, ohne damals schon ahnen zu können, dass nach dem Militärputsch von 1976 bald eine grausame Diktatur vor der Tür stehen würde. Es geht um jene Zeit, in der Juan Perón 1973 nach seinen Exiljahren erneut zum Präsidenten Argentiniens gewählt wurde - ein Populist, der sich mit Linken wie Rechten eingelassen hatte, um wieder nach Argentinien zurückkehren zu können.
Wie María Cecilia Barbetta auf diesen historischen Hintergrund gekommen sei, den die 1972 geborene Autorin ja kaum aus eigenem Erinnern kennen dürfte? Diese Frage eines Besuchers beantwortete sie ausführlich: "Nicht aus der Erinnerung, aber aus dem Gefühl": Kinder hätten ein feines Sensorium für Stimmungen. Konkret sei ihr die Idee zu dem Buch gekommen, als im Jahr 2010 Argentinien Gastland der Frankfurter Buchmesse war: "Da gab es viele Bücher zum Thema der Militär-Diktatur, aber kaum welche über die Vorgeschichte!" Diese Lücke wollte sie füllen. Außerdem sei sie auf die Parole "Magie an der Macht" gestoßen, die sie motiviert habe: Diese Parole bringe "die dunkle Seite der in Argentinien allgegenwärtigen Magie" auf den Punkt. Denn als Peron starb, folgte ihm seine Witwe Isabel im Amt, welche die Macht dem Wohlfahrtsminister überließ, einem "Hexer", der der Magie verfallen war und mit seiner "Argentinischen Antikommunistischen Allianz" ("AAA") für Terror sorgte und politische Gegner ermorden ließ.
Auf den Romantitel "Nachtleuchten", der auf das Leuchten einer Plastik-Madonna verweist, welche Teresa zu den Menschen bringt, spielte auf Gitarrist Rudi Trögl an, der die Lesung virtuos umrahmte - und unter anderem Rory Gallaghers "There's a Light" darbot oder als Hommage an die Autorin ein Jazz-Stück als Tango interpretierte. Wahrlich ein fulminanter Auftakt für das Eichstätter Lese-Festivals, das in dieser Woche fünf renommierte Autorinnen und Autoren nach Eichstätt bringt. Als nächstes ist nun am Dienstagabend um 20.30 Uhr Ulrich Woelk Filmstudio im Alten Stadttheater zu Gast. Weitere Informationen unter www.ku.de/literapur.
 

 

Walter Buckl