Wer
Männer, die auf Schaumstoff-Hirsche zielen

In der "Bogenhalle" in Nürnberg kann man mit Pfeil und Bogen mitten in der Großstadt "auf die Jagd" gehen

27.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:17 Uhr

Wer sich in Nürnberg auf die Pirsch wie in der Steinzeit legen will, kann in der "Bogenhalle" auf dem ehemaligen AEG-Gelände auf lebensgroße Wildtiere aus Schaumstoff schießen. Der lautlose Sport findet in der Großstadt immer mehr begeisterte Anhänger.

Mit Pfeil und Bogen in der Stadt auf die Jagd gehen: Andreas Stock, Betreiber der "Bogenhalle" an der Fürther Straße in Nürnberg, bringt die Steinzeit zurück in die Stadt. In einer alten Industriehalle auf dem ehemaligen AEG-Firmengelände hat Stock ein künstliches Jagdrevier für ambitionierte Bogenschützen aufgebaut. Drei Schießbahnen stehen für die urbanen Steinzeit-Jäger zur Verfügung. Dank der ausladenden Ausmaße der Halle 17 sind Entfernungen zwischen 20 und 45 Meter möglich, erklärt Andreas Stock.

Derweil spannt Ralph die Sehne seines Langbogens mit der rechten Hand. Zwischen Zeige- und Mittelfinger hält er das stumpfe Pfeilende mit den schwarz-roten Federn. Langsam atmet Ralph ein und aus. "Konzentration ist das A und O beim Bogenschießen", sagt der Freizeitschütze aus Nürnberg, der mit seiner grünen Militärjacke und den Tarnflecken einem "echten" Jäger zum Verwechseln ähnlich aussieht. Ruhig verfolgt er eine Gruppe von Wildtieren, die am Ende der Schießbahn unbeeindruckt herumsteht. Bewegen tun sich die lebensgroßen Tiere nicht. Wie versteinert wirken Braunbär, Hirsch und Wildschwein. Wer genau hinschaut, erkennt, dass die Wildtiere aus Schaumstoff gemacht sind. Wer noch genauer hinsieht und ganz nah hinschaut, erkennt auf den Schaumstoff-Tieren einen runden Kreis.

Dann holt Ralph noch einmal tief Luft und kneift das linke Auge zusammen. Trotz der Anspannung bewegt er sich keinen Millimeter. Arme und Körper scheinen vollkommen stillzustehen. Von Zittern keine Spur. Dann plötzlich lässt er die Sehne los und der Pfeil zischt los. Mit einer Geschwindigkeit von über 200 Sachen fliegt der angespitzte Stab durch die Bogenhalle. Nach einem kurzen Augenblick ist alles vorbei. Ralph lässt seinen Bogen zufrieden nach unten sinken. Nur der Bär schaut etwas bedröppelt drein. In seiner Flanke steckt Ralphs Pfeil tief im Schaumstoff-Fleisch.

Von hinten klopft Robert dem erfolgreichen Schützen anerkennend auf die Schultern. Dann ist Robert an der Reihe. Er rückt seine Schirmmütze zurecht und nimmt den Hirsch ins Visier. Nach der Konzentration und dem Zielen folgt der Abschuss. Auch sein Pfeil sitzt. Aus beiden Schützen wären sicher gute Steinzeit-Jäger mit Pfeil und Bogen geworden.

"Theoretisch könnten wir mit dem Bogen schon auf die Jagd gehen", erklärt Robert und verweist auf spezielle Jagdspitzen und die hohe Pfeilgeschwindigkeit. "Aber das wollen wir nicht, auf echte Tiere schießen", betont Ralph. Deshalb kommen beide Bogenfreunde seit Jahren in die Bogenhalle. "Hier kann man seinem Jagdinstinkt frönen, ohne andere zu verletzen", freut sich Robert über das künstliche Jagdrevier auf dem ehemaligen AEG-Gelände. Die Mischung aus Konzentration und Kraft fasziniert die beiden Sportschützen. Dass die alte Industriehalle nicht beheizt wird, nehmen sie gerne in Kauf. Selbst in der Stadt sei Bogenschießen à la Steinzeit eben nichts für Weicheier, finden beide und ziehen die Pfeile aus den Schaumstofftieren. ‹Œnpe