München
Madonna - und kein Ende

Streit um angebliches Werk da Vincis geht vor dem OLG weiter

15.10.2018 | Stand 23.09.2023, 4:40 Uhr
Dieses Madonnenbildnis aus der Renaissance beschäftigt jetzt in zweiter Instanz das Oberlandesgericht München. −Foto: Archiv

München/Ingolstadt (DK) Der Rechtsstreit ums Eigentumsrecht an einem Madonnenbildnis aus der Renaissance, das möglicherweise von Universalgenie Leonardo da Vinci, vielleicht aber auch "nur" von einem seiner Schüler stammt, hat im vergangenen Jahr über mehrere Monate eine Zivilkammer des Ingolstädter Landgerichts beschäftigt (DK berichtete). Gestern hat der kuriose Fall (Streitwert seinerzeit 500000 Euro) vor dem Münchner Oberlandesgericht (OLG) seine Fortsetzung gefunden.

Der dortige 21. Senat hat sich in einer Berufungsverhandlung mit der Sache befasst, nachdem sich ein in Ingolstadt unterlegener früherer Münchner Galerist mit der Entscheidung des hiesigen Gerichts nicht abfinden mochte und Rechtmittel eingelegt hat. Der Münchner Senat hat sich nach gestriger Mitteilung der OLG-Pressestelle "sehr lange und umfassend" mit der Sach- und Rechtslage befasst und die weitere Verhandlung dann auf Ende Januar vertagt.

Der Fall um das Madonnen-Bildnis ("Madonna Immaculata") hat eine sehr lange und recht verästelte Vorgeschichte und ist in allen Nuancen kaum noch darstellbar. Für die Öffentlichkeit hat er sich allerdings insofern als interessant erwiesen, als es sicher nicht alle Tage vor Gericht um einen möglicherweise bedeutenden Kunstschatz von dann doch sehr beachtlichem Wert (eventuell zig Millionen Euro) geht - und weil einer der Protagonisten seit Jahrzehnten in Deutschland zu den sogenannten Personen der Zeitgeschichte gezählt werden kann: Vater der vor dem Landgericht aufgetretenen Klägerin ist der Olympiasieger Armin Hary (Goldmedaille über 100 Meter in Rom 1960). Im Berufungsprozess in München ist die Tochter nun die Beklagte.

Im Kern geht es darum, dass sich die Familie Hary vor vielen Jahren zur Absicherung von Forderungen an einen Münchner Galeristen, der seinerzeit in Pfaffenhofen wohnte, aus dessen Fundus das fragliche Madonnenbild als Sicherheit überschreiben ließ. Diesen Umstand und somit das Eigentumsrecht der damaligen Klägerin hatte die Ingolstädter Zivilkammer im August vorigen Jahres auch festgestellt. Das Bild befindet sich aber derzeit nicht mehr im Besitz des Ex-Galeristen, sondern ist wegen anderer Forderungen mit Pfandsiegeln belegt. Es wird seit Jahren in der Bayerischen Staatsgemäldesammlung in München aufbewahrt.

Der frühere Galerist hatte stets betont, dass das Renaissance-Werk, das nach seiner angeblich durch Gutachten bestärkten Auffassung unzweifelhaft Leonardo da Vinci zugeschrieben werden kann, im Wert die Forderungen der Familie Hary bei weitem überschreiten würde und die damalige Sicherheit somit quasi sittenwidrig gewesen sei. Das hatte das Landgericht aber nicht so gesehen.

Auch der Rechtsstreit vor dem OLG dürfte sich hinziehen. Der 21. Senat hat nach gestriger Auskunft einer OLG-Sprecherin die Parteien gebeten, sich bis zum Fortsetzungstermin noch ergänzend zu äußern. Unter anderem solle man sich nochmals überlegen, ob das Bild verkauft werden könnte. Möglicherweise steht dahinter der Gedanke, über den Kunstmarkt entscheiden zu lassen, welcher Wert dem angeblichen Leonardo-Werk tatsächlich beizumessen ist.

Bernd Heimerl