Ingolstadt
Luxus zum kleinen Preis?

Ausbau der Penthousewohnung von Alt-OB Lehmann und Aussage Fastenmeiers bestimmen 9. Prozesstag

16.04.2019 | Stand 23.09.2023, 6:40 Uhr
Nach dem Abriss des städtischen Krankenhauses entstand ein Neubaukomplex. In einem davon hat Alt-OB Lehmann eine Luxuswohnung gekauft. Eine Zeugenaussage des verstorbenen Klinikum-Geschäftsführers Heribert Fastenmeier (unten rechts) belastet Lehmann. Einen Groll hegte Fastenmeier nach Aussage der Beamten, die die Vernehmung durchgeführt hatten, aber nicht gegen Lehmann, sondern gegen den amtierenden OB Christian Lösel (unten links). −Foto: Rössle/Hammer/Stückle

Ingolstadt (DK) Der neunte Verhandlungstag im Bestechungsprozess gegen den Ingolstädter Altoberbürgermeister Alfred Lehmann ging an die Staatsanwaltschaft Ingolstadt. Er beschäftige sich vorrangig mit dem Ausbau der privaten Luxuswohnung für den Alt-OB im Neubaukomplex auf dem Areal des ehemaligen städtischen Krankenhauses. Und mit den Aussagen des früheren Klinikum-Geschäftsführers Heribert Fastenmeier gegenüber der Polizei.

Zwei Zeugen, die gestern vor der Großen Strafkammer am Landgericht Ingolstadt aussagten, waren bereits zum zweiten Mal geladen: die beiden Hauptkommissare der Kripo Ingolstadt, die bei der sogenannten Klinikums-Affäre gegen den früheren Geschäftsführer Heribert Fastenmeier ermittelt hatten. Der Ex-Klinikumschef hat sich bekanntlich nach mehr als neunmonatiger Untersuchungshaft 2017 kurz nach Weihnachten in der Justizvollzugsanstalt Gablingen das Leben genommen. Das strafrechtliche Verfahren gegen ihn ist damit automatisch eingestellt. Zivilrechtlich fordert der Krankenhauszweckverband Schadenersatz gegen seine Erben. Die Anwälte des Klinikums verfolgen den jetzigen Strafprozess gegen Lehmann, der in seiner Zeit als OB kraft Amtes Verbandsvorsitzender des Krankenhauszweckverbandes war, im Zuschauerraum ganz genau. Fastenmeiers schriftlich festgehaltene Zeugenaussage und diverse Schriftsätze seines Verteidigers, die sich unter anderem mit dem Verkauf des alten städtischen Krankenhauses beschäftigen, sind für den aktuellen Strafprozess gegen Lehmann fast so etwas wie ein Vermächtnis.

Das Gericht unter Vorsitz von Landgerichtsvizepräsident Jochen Bösl beschäftigte sich gestern auch mit der Frage, ob Fastenmeier im Zuge der Ermittlungen gegen ihn einen Groll gegen Lehmann hegte - und deshalb Rache an ihm nehmen wollte. Beide Kripobeamte sagten aus, dass sie nicht diesen Eindruck hatten. Freilich: Das zunächst außerordentlich gute Verhältnis zwischen Fastenmeier und Lehmann sei immer mehr gebröckelt. Doch zum Zeitpunkt der Vernehmung, sagten beide Kripomänner aus, habe sich der Zorn Fastenmeiers nicht gegen Lehmann, sondern vielmehr gegen die aktuelle Stadtführung, namentlich Oberbürgermeister Christian Lösel, gerichtet. "Er hat sich im Stich gelassen gefühlt", sagte der Hauptsachbearbeiter im Verfahren gegen Fastenmeier aus. Auch der zweite Beamte bezeugte, bei der Vernehmung nicht den Eindruck gehabt zu haben, dass Fastenmeier irgendjemanden belasten möchte. Auch er berichtete vom "Frust Fastenmeiers über die Verantwortlichen der städtischen Politik".

Fastenmeier bestätigte in seiner Aussage in weiten Teilen die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft - den fingierten Losentscheid bei der Submission, weil unbedingt der ebenfalls angeklagte Bauträger aus dem Kreis Pfaffenhofen den Zuschlag für das entsprechende Baufeld erhalten sollte, es jedoch ein gleich hohes Angebot gegeben habe, und die nachträgliche Änderung der Geschossflächenzahl im Kaufvertrag des Bauträgers, durch die dem Unternehmer eine Nachzahlung von über 600000 Euro erspart blieb. Lehmann habe von einem Rechenfehler des Stadtplanungsamts gesprochen, der damalige Rechtsreferent Helmut Chase soll dies bestätigt haben. Diverse Mails und ein handschriftlicher Vermerk Fastenmeiers bestätigen dies. Chase hatte an einem der ersten Prozesstage betont, eine solche Aussage nie gemacht zu haben.

Auf dem späteren Neubaukomplex erwarb Lehmann von dem Bauträger eine Penthousewohnung - laut Vertrag im Rohbauzustand. Doch die Wohnung wurde durch den Bauträger ausgebaut, zum Teil kam eine luxuriöse Sonderausstattung dazu. So hatte Lehmann etwa für eines der Bäder einen örtlichen Marmorhändler beauftragt. Auch eine Innenarchitektin wurde zusätzlich engagiert. Bei der Hausdurchsuchung in Lehmanns Wohnung fanden die Ermittler ein Schreiben des Bauträgers, in dem Lehmann angeboten worden war, den Ausbau für 56000 Euro (ohne Sonderausstattung) komplett fertigzustellen. Die Kripobeamten hatten die Kaufpreise in besagtem Gebäude verglichen. Bei vergleichbaren Wohnungen lag der Quadratmeterpreis deutlich über dem, den Lehmann bezahlt habe.

Der Kripomann listete verbuchte Abschlagszahlungen Lehmanns für die Wohnung in einer Gesamthöhe von 624826 Euro auf. Darunter auch eine Zahlung für zusätzlich erbrachte Leistungen von 40000 Euro am 5. Oktober 2016. Zwei Monate zuvor soll Lehmann durch Lösel von einem anonymen Schreiben in Sachen Wohnungsausbau erfahren haben.

Ein Architekt, der als Subunternehmer für das von dem Bauträger beauftragte Architekturbüro arbeitete, beanspruchte die Geduld des Vorsitzenden Richters arg. Die Vernehmung verlief äußerst zäh, Bösl musste ihm jede Information einzeln aus der Nase ziehen. Der Mann und sein damals angestellter Mitarbeiter, der ebenfalls als Zeuge geladen war, waren in dem Neubaukomplex für die Objektüberwachung zuständig. Um zu sehen, wer welche Sonderausstattungen hatte, hatte der Objektüberwacher die einzelnen Kaufverträge eingesehen. Der Lehmanns sei ein Rohbauvertrag gewesen, dennoch bestätigten beide, dass die Wohnung - bis auf die zusätzliche Sonderausstattung, für die Lehmann selbst zuständig war - vom Bauträger ausgebaut worden sei. "Wie jede andere Wohnung auch." Die Arbeiten hatten die Handwerker wie üblich dem Bauträger in Rechnung gestellt. Was Lehmann davon seperat an den Bauträger bezahlt hat, wussten sie nicht.

Der Innenausbau ist ein wesentlicher Bestandteil der Anklageschrift. Danach soll der Bauträger den kompletten Ausbau der Wohnung übernommen und finanziert haben, ohne die Kosten Lehmann in Rechnung zu stellen. Als im Zuge der Ermittlungen Unregelmäßigkeiten beim Kauf der Wohnung durch Lehmann bekannt geworden waren und er von OB Lösel auf den Preis des Objekts angesprochen worden sein soll, habe Lehmann laut Anklageschrift nachträglich weitere gut 130000 Euro an den Bauträger gezahlt.

Der Prozess wird morgen um 9.15 Uhr fortgesetzt.

 

Ruth Stückle