London
London will den harten Bruch

Premierministerin Theresa May verkündet ihre Pläne für Großbritanniens Abschied aus der EU

17.01.2017 | Stand 02.12.2020, 18:47 Uhr

Premierministerin Theresa May während ihrer lang erwarteten Brexit-Rede. - Foto: Wigglesworth/AFP

London (DK) Jedes Mal, wenn die britische Premierministerin Theresa May in den zurückliegenden Monaten etwas über ihre Pläne für den Ausstieg ihres Landes aus der Europäischen Union (EU) verlautete, gab es einen Kurssturz beim Pfund. Diesmal rutschte die Landeswährung sogar schon, bevor sie etwas sagte. Die bereits am Wochenende bekannt gewordenen Details im Vorfeld ihrer Grundsatzrede ließen das Pfund in den letzten Tagen auf den niedrigsten Stand gegenüber dem Dollar seit Oktober 2016 abrutschen. Doch dieses Mal erholte sich das Pfund, noch während May sprach. Den Investoren gefiel anscheinend die kompromisslose Deutlichkeit, mit der die Regierungschefin auftrat.

Mit ihrer Rede enttäuschte May die vorab geweckten Erwartungen nicht. Sie will den klaren Schnitt mit der EU. Großbritannien wird sich mit dem Austritt aus der EU auch aus dem gemeinsamen Markt verabschieden und damit einen sogenannten harten Brexit ansteuern. "Wir wollen eine neue und gleichberechtigte Partnerschaft", sagte May. Was sie verhindern wolle, sei eine Art Teilmitgliedschaft in der EU. "Wir wollen keinen Assoziiertstatus oder irgendetwas, das uns halb drin, halb draußen lässt." Sie begründete ihre kompromisslose Absage an den Binnenmarkt damit, dass die Briten in ihrem EU-Referendum dafür gestimmt hätten, zum einen die Kontrolle über die Einwanderung von EU-Bürgern zurückzuerlangen und zum anderen nicht mehr der Gerichtsbarkeit des Europäischen Gerichtshofes unterliegen zu wollen. Beides ist unvereinbar mit einem Verbleib im EU-Binnenmarkt. "Brexit muss auch Kontrolle über die Zahl der Menschen bedeuten, die aus Europa kommen", sagte die Regierungschefin.

Zudem will Großbritannien auch nicht mehr der Europäischen Zollunion angehören, da deren Mitgliedschaft verhindert, dass das Königreich Freihandelsabkommen mit anderen Ländern abschließen kann. Theresa May will Großbritannien aber, wie sie wiederholt unterstrich, als "eine große globale Handelsnation" aufstellen. Und dazu gehöre, dass sich ihr Land den wirtschaftlich dynamischsten Teilen der Welt zuwende und ohne Einschränkungen eigene Deals abschließen kann. Erst tags zuvor hatte der künftige US-Präsident Donald Trump, wie May genüsslich unterstrich, in einem Interview versichert, dass Großbritannien ganz vorne in der Reihe für ein bilaterales Handelsabkommen stünde.

Keine halben Sachen also. Mit dem Austritt aus der EU, versprach May, verlasse man aber nicht Europa, es bedeute keineswegs "eine Zurückweisung der Werte, die wir teilen". Der klare Bruch mit der Europäischen Union sei keine Abweisung. Man wolle weiterhin "verlässlicher Partner, williger Alliierter und enger Freund" bleiben. Und es läge im nationalen Interesse, dass die EU erfolgreich sei. "Wir wollen den Binnenmarkt nicht untergraben", sagte sie weiter, "wir wollen die Europäische Union nicht untergraben."

Dazu passte nicht ganz, wie sie weitere Ziele ihres Zwölf-Punkte-Plans für ein "wahrhaft globales Großbritannien" formulierte. Denn die Premierministerin erwartet, dass ihr Land weiterhin größtmöglichen Zugang zum Binnenmarkt durch ein Freihandelsabkommen erhält: "Ich will eine Zollvereinbarung mit Europa und zollfreien Handel." Zugleich forderte sie, dass, sollte kein Freihandelsabkommen in den nächsten zwei Jahren möglich sein, sie Übergangsvereinbarungen für einen "glatten, ordentlichen Brexit" sehen will. Wie das gehen soll, ohne dass sich Großbritannien an das gemeinsame Regelbuch halten will, führte sie nicht aus. Allerdings drohte May mit Konsequenzen, sollte die EU versuchen, Großbritannien für den Austritt zu bestrafen.

Als erster deutscher Spitzenpolitiker äußerte sich gestern Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). Er begrüßte, dass May die "Vorstellungen ihrer Regierung für den Austritt skizziert und endlich ein wenig mehr Klarheit über die britischen Pläne geschaffen hat". Auch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel begrüßte die Rede Mays. "Ihre Entscheidung ist konsequent", sagte der SPD-Chef in Berlin.

Andere Mitglieder der großen Koalition haben die britische Regierung indes davor gewarnt, in dem künftigen Verhältnis Großbritanniens zur EU auf "Rosinenpickerei" zu setzen. Wenn Theresa May einen Abbruch aller Beziehungen zur EU wolle, "dann werden wir entsprechend mit ihr darüber verhandeln", sagte Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU). Der CDU-Europa-Politiker David McAllister hält einen zügigen Brexit nach der Rede Mays für möglich. "Das ist ambitioniert, aber das kann man in zwei Jahren unter Dach und Fach bringen", sagte er. Für das neue Verhältnis zu Großbritannien werde es aber Übergangsregeln geben müssen. "Das juristisch einwandfrei zu formulieren wird nach Auffassung nahezu aller Experten nicht innerhalb von zwei Jahren möglich sein." ‹ŒKommentar Seite 2