Ingolstadt
Lösung in Sicht

Misere um Kurzzeitpflege Thema einer Podiumsdiskussion doch die Stadt kündigt Abhilfe an

17.02.2017 | Stand 02.12.2020, 18:38 Uhr

Kurzzeitpflege interessiert: Am Podium einer Diskussion der SPD (von rechts): Elisabeth Bauernfreund als pflegende Angehörige, die ehemalige Krankenschwester Inge Kunze-Bechstädt, VdK-Kreisgeschäftsführer Werner Böll, SPD-Fraktionschef Achim Werner und Ruth Waldmann, Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion für den Bereich Pflege. - Foto: Hauser

Ingolstadt (DK) Die Stadt will als Sofortmaßnahme für die wegfallenden zwölf Kurzzeitpflegeplätze im Heilig-Geist-Spital das den Heimen entstehende Defizit für insgesamt fünf Kurzzeitpflegeplätze übernehmen. Dies wurde bei einer Podiumsdiskussion der SPD zur Pflegesituation in Ingolstadt bekannt.

Das Thema Kurzzeitpflege ist brisant. Wie brisant, zeigte die große Zahl derer, die am Donnerstagabend zu der Veranstaltung der Ingolstädter SPD ins Gewerkschaftshaus gekommen sind: Betroffene, zum Teil im Rollstuhl oder mit Rollator, genauso wie die Chefs von AOK und Audi-BKK, Leiter von Seniorenheimen und Pflegediensten, ein Vertreter der Stadt und Stadträte verschiedener Couleur. Welche Auswirkungen der plötzliche Wegfall der zwölf Kurzzeitpflegeplätze umfassenden Station im Heilig-Geist-Spital hat, dem einzigen Heim in Ingolstadt, das Kurzzeitpflege in dieser Form angeboten hatte, zeigt der verzweifelte Wortbeitrag einer Betroffenen: "Das ist für mich der Gau. Was hat man sich dabei gedacht, von heute auf morgen zwölf Plätze zuzumachen? Ich bin enttäuscht, völlig am Ende. Ich kann nicht mehr", sagt sie ins Mikrofon. Und weiter: "Ich schäme mich für diese Stadt."

Worte, die man im Rathaus nicht gerne hört. Deshalb dauerte es auch nicht lange, bis Helmut Chase, städtischer Rechtsreferent, der auch für Stiftungen zuständig ist, betonte, die Stadt werde versuchen, das Problem kurzfristig zu lösen. Sie sei bereit, fünf Kurzzeitpflegeplätze, die unterfinanziert sind, zu unterstützen. Eine Anfrage bei den Heimen laufe. Ralph Bartoschek, Heimleiter des Katharinengartens, sieht das kritisch: Das Angebot werde angesichts einer Klausel, dass für die Kurzzeitpflege stationäre Pflegeplätze nicht angetastet werden dürfen, "im Sande verlaufen".

Dass es letztlich eine Frage der Finanzierung sei, wurde zuvor am Podium bereits mehrfach betont: Ruth Waldmann, Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion für den Bereich Pflege, der SPD-Fraktionsvorsitzende und stellvertretende Vorsitzende des VdK Bayern, Achim Werner, VdK-Kreisgeschäftsführer Werner Böll, die ehemalige Krankenschwester Inge Kunze Bechstädt und Elisabeth Bauernfreund, die im DONAUKURIER den Wegfall der Kurzzeitpflegeplätze im Heilig-Geist-Spital erst publik gemacht hat, sahen übereinstimmend einen "Webfehler" im ansonsten positiv zu wertenden, seit 2017 geltenden Pflegestärkungsgesetz als eigentliche Ursache der Misere. Das für den Grundsatz "ambulant vor stationär" stehende Gesetz gesteht pflegenden Angehörigen zwar bis zu acht Wochen Urlaub zu, doch die Finanzierung der für Heime defizitären Kurzzeitpflege ist nicht gesichert. "Ein fehlender Kindergartenplatz ist einklagbar, die acht Wochen Kurzzeitpflege stehen nur auf dem Papier und können nicht umgesetzt werden", schimpfte Brigitta Mittag. Elisabeth Bauernfreund bezeichnete diesen Umstand als "Riesenmogelpackung". Und rechnete vor: Von 82 Millionen Menschen in Deutschland seien zwei Millionen pflegebedürftig. Auf sie kämen 37 000 Kurzzeitpflegeplätze. Setze man diese Zahl ins Verhältnis zur Einwohnerzahl Ingolstadts, käme man auf 64 Kurzzeitpflegeplätze. "Wenn man in Ingolstadt Autos kreiert, die von selbst fahren, wird es doch möglich sein, für die Kurzzeitpflege eine Finanzierung zu finden, die tragbar ist", so Bauernfreund.

Grundsätzlich, hieß es weitgehend übereinstimmend, wären die Pflegekassen in der Pflicht. Dennoch brauche man "eine Lösung, die jetzt gleich kommt", meinte SPD-Stadträtin Veronika Peters. In der Notsituation müsse die Kommune einspringen. Ihr Fraktionskollege Werner hatte zuvor auf einen entsprechenden Antrag der SPD dazu verwiesen. Bei der Diskussion nicht anwesend, jedoch zuvor via Mail an den DK, ließ ÖDP-Stadtrat und Sozialexperte Thomas Thöne eine solche Forderung seinerseits wissen. Die offenbar bei der Stadt - zumindest als vorübergehende Lösung - bereits Gehör gefunden hat.

Bevor die Kurzzeitpflege bei der Diskussion richtig zur Sprache kam, ging es etwa eine Stunde lang um Grundsätzliches: Pflegestrukturgesetz, die Umstände der Finanzmisere der Heilig-Geist-Stiftung und damit verbundene Umstrukturierung des Spitals, die Pflegesituation allgemein und das Thema Pflegenotstand. Auf diesen wies neben Christian Ponzer, Leiter eines ambulanten Pflegedienstes, insbesondere Daniela Blaschke, die Chefin des Heilig-Geist-Spitals, hin. Inge Kunze-Bechstädt forderte als Rezept dagegen "bessere Arbeitsbedingungen". Veronika Peters setzt auch auf Wohnraum. Diesen anzubieten, wäre "ein unglaublicher Standortvorteil".