Kösching
Liepold: Noch einmal Hawaii . . .

Karriereende verschoben: Köschinger Profi-Triathletin Kristin Liepold will es 2021 noch einmal wissen

09.10.2020 | Stand 23.09.2023, 14:40 Uhr
Zieleinlauf: Kristin Liepold bewältigte den Ironman Hawaii in 9:23,13 Stunden. −Foto: privat

Kösching - Profisportler ticken anders als andere Arbeitnehmer.

Und für Triathleten gilt das in besonderem Maße. Da bringt man 3,86 Kilometer Schwimmen, 180,2 Kilometer Radfahren und 42,195 Kilometer Laufen in 9:23,13 Stunden hinter sich - und ist unzufrieden, weil man nur die siebzehntbeste Frau der Welt geworden ist. Und nicht wie angepeilt zu den 15 schnellsten Langdistanz-Triathletinnen gehört.

Das war die Gefühlslage der Köschinger Profi-Triathletin Kristin Liepold vor einem Jahr. Der Ironman Hawaii war gerade zu Ende gegangen, die gebürtige Geraerin hatte sich mehr vorgenommen - auch wenn sie die schwierigen Voraussetzungen im ersten Wettkampfjahr nach einer Schwangerschaft einzuschätzen wusste. Im Jahr 2020 - der Wettkampf hätte an diesem Samstag stattgefunden - sollte der neue Anlauf zur Ironman-Weltmeisterschaft gelingen, doch es wurde ein Jahr im Wartestand.

Im Januar nahm die 36-Jährige noch am Mitteldistanz-Triathlon in Südafrika teil und wurde als beste Deutsche in 5:06,10 Stunden Siebte. "Aber über die Mitteldistanz starte ich immer nur als Vorbereitung auf die Langdistanz-Wettkämpfe", sagt Liepold. Der Plan für das Jahr 2020 war: Im Frühjahr am Langdistanz-Ironman in Südafrika ("Um in die Wettkampfsaison reinzukommen") und im Herbst in Frankfurt teilzunehmen. Optional hatte noch der Ironman in Klagenfurt auf der Wettkampfliste gestanden - bei einem dieser Triathlons wollte sich Liepold für die Ironman-WM auf Hawaii qualifizieren.

Doch die Corona-Krise machte all diese Pläne zunichte. "Ich habe beschlossen, mich fit zu halten", sagt Liepold. "Vor drei Monaten war ich optimistischer, dass noch Rennen stattfinden, aber die wurden dann alle abgesagt. " Pessimismus machte sich breit.

Es ging für Liepold nicht um Motivationsprobleme, sich für das Training aufzuraffen. Statt wettkampfspezifischer Vorbereitung mit intensiven Intervallen arbeitet die 36-Jährige jetzt eben an der Grundlagenausdauer und könnte, wenn auch nicht im gewohnten Hochgeschwindigkeitsbereich, "jederzeit einen Wettkampf machen", wie sie sagt. Für Liepold wurden eher Fragen bezüglich des Karriereendes präsenter. "Die Gedanken kommen schon immer wieder", sagt sie. "Ich weiß, dass ich den Sport nicht bis ins Rentenalter betreiben kann. " Welcher Beruf würde für sie dann überhaupt passen? Ergibt ein Wechsel ins Trainerfach Sinn? Solche Gedanken wären ohne die Corona-Krise im Terminstress zwischen Training, Reisen und Triathlon-Wettbewerben so nicht gekommen.

Doch am Ende dieser Fragen stand das Ergebnis: "Ich will nächstes Jahr auf jeden Fall Wettkämpfe als Profi machen", sagt Liepold. Nur: Dazu muss die Triathlon-Branche das überhaupt hergeben. Die Ironman-WM 2020 auf Hawaii wurde wie viele andere Wettkämpfe abgesagt. Die Profisportler brauchen die Veranstaltungen aber wegen der Preisgelder und der Attraktivität für Sponsoren. Die Professional Triathletes Organisation (PTO), die Vereinigung der Profitriathleten, schüttete immerhin an die 100 besten Männer und Frauen auf der Mittel- und Langdistanz 2,5 Millionen Dollar als Hilfszahlung aus.

Auch Liepold befand sich in der Fördergruppe der Frauen. "Es ist auf jeden Fall gut, dass wir diese Athletenvereinigung haben", sagt Liepold. "Das hat auch schon in der Zeit vor Corona bei Fragen rund ums Regelwerk, die Durchführung von Wettkämpfen oder der Gleichbehandlung von Männern und Frauen bei Startslots und Preisgeldern geholfen. " Dass während der Corona-Krise nicht nur die Top-10-Athleten, die ohnehin große Sponsorenverträge haben, unterstützt wurden, empfindet die 36-Jährige als besonders positiv.

Denn die Suche nach Sponsoren dürfte wegen der Pandemie und der wirtschaftlichen Folgen nicht einfacher werden. Liepold hat hier schon einmal negative Erfahrungen gemacht, nachdem manche Sponsoren wegen der Schwangerschaft absprangen. Liepolds Ziel ist es daher unabhängig von Corona, "die bestehenden Partnerschaften zu behalten". In den Monaten ohne Wettkämpfe war dafür eine höhere Aktivität in den Sozialen Netzwerken erforderlich. Statt Bildern vom Training will Liepold möglichst bald wieder Eindrücke von Wettkämpfen posten.

Die Saison 2019 lief lange sehr gut, zum Saisonhöhepunkt auf Hawaii war die 36-Jährige dann aber "ausgelaugt". "Ich hätte manches anders machen können", sagt die Köschingerin. "Aber die ersten drei Jahre mit einem Kleinkind sind unberechenbar, da spreche ich bestimmt vielen Müttern aus der Seele. " Man könne nicht sagen, ob Hawaii 2020 besser gelaufen wäre. "Es wäre aber eine neue Chance gewesen", sagt Liepold.
Die zweijährige Tochter wird bald in den Kindergarten gehen, dann hält ein wenig mehr Regelmäßigkeit Einzug in Liepolds Alltag. Die Unsicherheit wegen Corona wird bleiben. Doch wenn es möglich ist, 2021 am Ironman auf Hawaii teilzunehmen, will Liepold diese Chance nutzen. Und natürlich peilt sie wieder die Top-15 an. "Das ist immer das große Ziel auf Hawaii", sagt sie. "Aber in meinem Bereich ist das sicherlich möglich. "

DK

 

Christian Missy