Ingolstadt
Lieber zum Psychiater als ins Gefängnis

Verfahren gegen gewalttätigen Securitymann wird wegen Begutachtung des Angeklagten ausgesetzt

02.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:16 Uhr

Ingolstadt (DK) "Haben Sie Angst vor dem Knast?" Vorsitzender Konrad Riedel konnte sich diese Frage an den Angeklagten nicht verkneifen.

Riedels Berufungskammer am Landgericht unternimmt nach vorherigen Unterbrechungen wegen gesundheitlicher Probleme des 30-jährigen Sicherheitsdienstlers mittlerweile den dritten Anlauf, das Verfahren wegen Körperverletzung über die Bühne zu bringen. Da hat ein Antrag der Verteidigung, nunmehr die Schuldfähigkeit des Angeklagten untersuchen zu lassen, den Richter doch etwas irritiert.

Es geht um einen Vorfall auf dem Barthelmarkt im August 2015. Weil er da einen jungen Mann auf einer Wiese hinter dem Herrnbräuzelt zu Boden gebracht und ihm mit dem Knie die Luft abgedrückt hat (das ist inzwischen rechtswirksam festgestellt worden), soll der aus Sachsen stammende damalige Chef einer Security-Truppe nach dem Urteil des Amtsgerichts Pfaffenhofen neun Monate ins Gefängnis.

In der Berufungsverhandlung (DK berichtete am 20. Oktober über den ersten Verhandlungstag) geht es jetzt ausschließlich um das Strafmaß. Der Angeklagte und seine beiden Verteidiger möchten unbedingt eine Bewährungsstrafe erreichen, das Gericht hat aber bereits Zweifel angemeldet, ob das bei einem Wiederholungstäter (bereits vier einschlägige Verurteilungen) noch möglich ist.

Mit einem gestern nun offiziell gestellten Antrag, die Steuerungs- und damit auch die Schuldfähigkeit des Angeklagten zum Tatzeitpunkt von einem Gutachter untersuchen zu lassen, soll offenbar die drohende Zementierung einer Haftstrafe in der Berufungsverhandlung abgewendet werden. Sein Mandant leide womöglich seit Jahren an einer durch private und berufliche Probleme ausgelösten Angststörung, die ihn in Stresssituationen mitunter zu Überreaktionen verleite, so die Stoßrichtung eines der beiden Verteidiger. Nachhaltig etwas gegen seine angeblichen psychischen Probleme unternommen hat der Mann aber offenbar nicht. Erst jüngst, so eröffnete er dem Gericht auf Nachfrage, habe er mal einen Therapeuten aufgesucht.

Richter Riedel wertete das Begehren der Verteidigung ebenso wie der Staatsanwalt als Beweisermittlungsantrag. Die Kammer gab dem lediglich mit Hinweis auf ihre grundsätzliche Aufklärungspflicht statt. Zwingende Anlässe für eine gebotene psychiatrische Begutachtung des Angeklagten habe das Gericht bislang weder aus den Akten noch aus dem Verlauf der Hauptverhandlung erkennen können, so der Vorsitzende. Er hatte dem Angeklagten zuvor geraten, endlich reinen Tisch zu machen und eine Haftstrafe zu akzeptieren.

Mit dem gestern ergangenen Beschluss, wonach sich der Securitymann in seiner sächsischen Heimat einer ausgiebigen Exploration stellen muss, geht er unter Umständen sogar ein höheres Risiko ein. Denn nun wird auch geprüft, ob eine psychische Erkrankung womöglich die unbefristete Unterbringung des Mannes in einer geschlossenen Klinik nötig macht. Das Verfahren in Ingolstadt wurde erst einmal ausgesetzt.