Dietfurt
Lieber Kelheim statt Neumarkt

Der damalige Bürgermeister Rupert Faltermeier erinnert sich an die Gebietsreform vor 40 Jahren

06.07.2012 | Stand 03.12.2020, 1:18 Uhr

Zeitzeuge: Rupert Faltermeier hat die Gebietsreform vor 40 Jahren aus nächster Nähe als Bürgermeister erlebt. - Foto: Meßner

Dietfurt (mms) 565 zu 452 Stimmen. So lautete 1971 das Ergebnis einer Bürgerbefragung, ob die Dietfurter lieber in den Landkreis Neumarkt oder nach Kelheim wollen. Die Mehrheit wollte nach Kelheim, doch der Stadtrat entschied gegen den Bürgerwillen: 8:3 für Neumarkt hieß es im September 1971. Bürgermeister war damals Rupert Faltermeier. Der 79-Jährige erinnert sich noch gut an jene turbulente Zeit. Mit unserem Redakteur Markus Meßner sprach Faltermeier über die Auseinandersetzungen damals, als Mühlbach oder Zell nicht in den Landkreis Neumarkt wollten und über einen Trick von Ministerpräsident Alfons Goppel mit der Ortschaft Vogelthal.

Herr Faltermeier, die Gebietsreform liegt 40 Jahre zurück. Haben Sie den Eindruck, dass alle eingemeindeten Orte in Dietfurt angekommen sind?

Rupert Faltermeier: Ja, das glaube ich in jedem Fall. Auf Landkreisebene bin ich mir da nicht so sicher, aber bei den Gemeinden schon.

 

Gilt das auch für Mühlbach? Damals gab es heftige Auseinandersetzungen, weil die Mühlbacher unbedingt in den Kelheimer Landkreis wollten.

Faltermeier: Die Mühlbacher wollten schon nach Dietfurt, aber nicht in den Landkreis Neumarkt. In Zell war es ähnlich. Deshalb haben sich dort die Eingemeindungen auch um ein halbes Jahr verzögert. Aber alle Proteste haben letztlich nichts geholfen.

 

Und Sie waren als Bürgermeister mittendrin.

Faltermeier: Das hat damals schon viel Überredungskunst, oder besser Überzeugungsarbeit, gebraucht. Wir waren beispielsweise auch noch mit Meihern im Gespräch. Die wären damals sehr gerne nach Dietfurt gegangen.

 

Warum hat das nicht geklappt?

Faltermeier: Schwer zu sagen. Das Zugehörigkeitsgefühl zum alten Teillandkreis Riedenburg, der nach Kelheim ging, war noch stark, vielleicht haben wir auch nicht intensiv genug geworben. Und es wäre schon einiges an Aufwand gewesen, Meihern aus dem geplanten Landkreis Kelheim rauszunehmen.

Wie es scheint, wollten damals alle in den Landkreis Kelheim? Was war daran so besonders?

Faltermeier: Wir konnten mit Neumarkt damals nichts anfangen, es gab keine Verbindungen. In Richtung Kelheim dagegen liegt das Altmühltal, es waren also touristische Gemeinsamkeiten vorhanden. Und nicht zuletzt die gleiche Mentalität. Bei der Bürgerabstimmung in Dietfurt hatte sich eine Mehrheit für Kelheim ausgesprochen. Am Anfang war sogar ein Landkreis Ingolstadt im Gespräch. Das hat sich durch den Landkreis Eichstätt – ein Zugeständnis an den Bischof – erledigt.

 

Es gab noch weitere Überlegungen, etwa für einen Jura-Landkreis . . .

Faltermeier: . . . mit Beilngries, Dietfurt und Parsberg. Drei Armenhäuser sollten in ein großes Armenhaus zusammengelegt werden (lacht). Ich war damals schon ehrenamtlicher Bürgermeister. Wir haben uns in Leising in einem Hotel getroffen, dort wo heute die Akademie steht, und sogar schon Ämter verteilt.

 

Wie war das damals? Sind Sie von Dorf zu Dorf getingelt, um für die Reform zu werben?

Faltermeier: Gar nicht mal so sehr. Einige Eingemeindungsangelegenheiten waren schon abgeschlossen, etwa Maller-stetten oder Hainsberg. Aber es gab einigen Erklärungsbedarf, etwa in Töging oder Ottmaring. Die kamen ja aus einem anderen Landkreis, aus Beilngries.

 

Das alles hat letztlich zu einer Randlage Dietfurts geführt, am äußersten Ende des Landkreises Neumarkt.

Faltermeier: Selbst der damalige Neumarkter Landrat Josef Werner Bauer konnte gar nicht verstehen, warum Dietfurt nach Neumarkt kam. Ich bin mir sicher, dass drei Viertel der Neumarkter damals gar nicht wussten, wo Dietfurt überhaupt liegt.

 

Aber es gab einen Vorteil: Dietfurt blieb in der Oberpfalz.

Faltermeier: Als einziger Teil aus dem früheren Landkreis Riedenburg. Wir mussten uns nicht verbiegen.

 

Vergleicht man die beiden Landkreise Neumarkt und Kelheim heute, dann ist Dietfurt gut gefahren.

Faltermeier: Auf jeden Fall. Alleine bei der Kreisumlage zahlt Dietfurt deutlich weniger als die Gemeinden in Kelheim.

 

Ist die Gebietsreform gelungen oder hätte sie vielleicht sogar noch weiter gehen müssen, zu noch größeren Einheiten?

Faltermeier: Hier bei uns auf jeden Fall. Die Größe von Dietfurt finde ich gut. Aber das ist unterschiedlich gehandhabt worden. In anderen bayerischen Bereichen gibt es noch viele Gemeinden mit 1000 Einwohnern, die eigenständig sind – speziell in Oberbayern.

 

Die Anforderungen an die Gemeindeverwaltungen werden immer komplexer.

Faltermeier: Das bringt die Zeit mit sich. Ehrenamtlich ist das gar nicht mehr zu stemmen. Das Standesamt war schon vor der Gebietsreform in Dietfurt, auch die Schule. Das ist gewachsen. Die Verantwortlichen merkten schon vor der Reform, dass es so nicht weitergehen kann.

 

Und der Staat hat die Gebietsreform mit Geld versüßt.

Faltermeier: Ja. Da gibt es eine Geschichte aus Vogelthal. Gemeinden, die zum 1. Januar 1972 mitmachten, bekamen mehr Geld als Kommunen, die erst im Juli dazustießen. Vogelthal hat den Beitritt frühzeitig beschlossen, sie kamen aber aus dem Beilngrieser Landkreis. Das hat die Eingliederung verzögert, es gab folglich weniger Geld. Das wollten die Bürger aber nicht so ohne Weiteres hinnehmen. Als Ministerpräsident Alfons Goppel einmal nach Dietfurt kam, beschlossen die Vogelthaler: Das sagen wir ihm jetzt.

 

Hat es was gebracht?

Faltermeier: Goppel hat angekündigt, für Vogelthal eine Lösung zu finden.

 

Hat er Wort gehalten?

Faltermeier: Na ja. Es ist Geld gekommen. Nicht einfach so, sondern als Zuschuss für den Schulhausbau. Im gleichen Zug wurde allerdings der reguläre Zuschuss um genau diese Summe gekürzt. Ministerpräsident Goppel hat also Wort gehalten, ohne dass wir unter dem Strich mehr bekommen hätten. Die Bürokratie hat gesiegt.