Wolfsburg
Licht und Schatten bei VW

Folgen der Abgas-Affäre belasten weiterhin den Autokonzern Tagesgeschäft läuft aber wieder besser

27.10.2016 | Stand 02.12.2020, 19:07 Uhr

Wolfsburg/Ingolstadt (DK) Ausgestanden ist die Affäre um manipulierte Abgas-Tests bei VW noch nicht, das machen die Geschäftszahlen deutlich. Weil der Konzern breit aufgestellt ist, geht es aber im Tagesgeschäft wieder aufwärts. Für eine Negativüberraschung sorgt indes Audi.

Licht und Schatten bei Volkswagen: Zwar stemmt sich Europas größter Autobauer zunehmend mit Erfolg gegen die Lasten der Abgas-Krise. Allerdings drücken die finanziellen Folgen auch ein Jahr nach Beginn des Skandals noch merklich auf die Bilanz. Im Kampf gegen die Milliardenkosten der Affäre profitiert Europas größter Autobauer aber von der breiten Aufstellung mit zwölf Fahrzeugmarken, dem wichtigen Chinageschäft und seinem gewohnt starken Finanzarm.

Der Konzern fuhr in den ersten drei Quartalen dieses Jahres bei einem Umsatz von knapp 160 Milliarden Euro einen Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) von 8,65 Milliarden Euro ein, wie VW gestern in Wolfsburg mitteilte. "Der Konzern ist voll handlungsfähig - trotz aller aktuellen Belastungen", sagte Vorstandschef Matthias Müller. Das Ergebnis liegt damit spürbar über dem Niveau des gleichen Vorjahreszeitraums (3,34 Milliarden Euro).

Allerdings hatten 2015 im 3. Quartal auch schon milliardenschwere Rückstellungen von rund 6,7 Milliarden Euro zur Bewältigung der Krise ins Kontor geschlagen. Diesmal beliefen sich die Sondereinflüsse im Berichtsquartal auf nur noch 442 Millionen Euro. Verglichen mit den ersten drei Quartalen 2014, als der Konzern noch auf Rekordfahrt war, wird der Abstand deutlich. Damals hatte VW im laufenden Geschäft noch 9,4 Milliarden Euro verdient.

In Anbetracht des Erfolgs vor den Sondereinflüssen sieht sich der Konzern fester in der Spur für das Tagesgeschäft - wenn also unter anderem die Kosten für die Bewältigung der Diesel-Affäre herausgerechnet werden. Im 3. Quartal stieg damit das bereinigte operative Ergebnis um mehr als ein Sechstel. In den ersten neun Monaten legte diese Kennziffer um fast 11 Prozent zu auf rund 11,3 Milliarden Euro.

Weiter unter erheblichem Druck steht aber die Kernmarke des Konzerns Volkswagen Pkw. Sie fuhr im 3. Quartal vor Zinsen und Steuern lediglich 363 Millionen Euro als Ergebnis ein. Vor einem Jahr hatte das laufende Geschäft hier noch gut doppelt so viel eingespielt. Entsprechende Abstriche gab es auch bei der Gewinnkraft: Nach neun Monaten blieben nur noch 1,60 Euro von 100 Euro Umsatz übrig. Zuletzt hatten ein Lieferboykott und eine defekte Presse der Kernmarke zugesetzt. Dem Konzern gelang es aber, die Rückgänge in der Kernmarke von fast einer Milliarde Euro in den ersten neun Monaten mit den anderen Konzernsäulen mehr als wettzumachen - obwohl auch der Gewinnbringer Audi nachgab.

Die Ingolstädter meldeten überraschend hohe Belastungen aus der Diesel-Affäre und Rückrufen wegen defekter Airbags (siehe Kasten). Gleichwohl stiegen die Erlöse bei Audi in den ersten neun Monaten leicht von 43,7 Milliarden auf 44 Milliarden Euro. Das operative Ergebnis vor Sondereinflüssen erreichte mit 3,9 Milliarden Euro in etwa das Niveau des entsprechenden Vorjahreszeitraums. Audi legt heute detaillierte Zahlen vor. Besser lief es im bisherigen Jahresverlauf bei Porsche, Skoda und Seat, aber auch beim Lkw-Bauer MAN und bei den leichteren Nutzfahrzeugen.

Bei der ertragsschwachen Kernmarke VW um Golf und Passat soll in den nächsten Wochen ein Zukunftspakt vereinbart werden. Dabei geht es darum, nötige Reformen - auch mit Sparzielen - mit Sicherheiten für die Belegschaft zu vereinen. Die Verhandlungen zwischen Management und Betriebsrat drehen sich um Produkte, Stückzahlen, Investitionen und Belegschaftsstärken.

VW-Finanzchef Frank Witter mahnte gestern abermals: "Produktivität und Profitabilität müssen sich im gesamten Konzern weiter erheblich verbessern. Die Marke Volkswagen mit dem angestrebten Zukunftspakt ist dabei von zentraler Bedeutung für die Zukunft des gesamten Konzerns." Er betonte: "Unsere Strategie hängt zu großen Teilen am Zukunftspakt."

Auch der wichtige Markt China lieferte trotz steigender Verkäufe nicht mehr die gewohnten Beiträge ab. Mit knapp 3,6 Milliarden Euro aus den ersten neun Monaten lag der anteilige operative Gewinn aus den chinesischen Gemeinschaftsunternehmen um rund 5 Prozent unter dem Vergleichswert des Vorjahreszeitraums. Immerhin: Zur Jahresmitte hatte der Gewinnrückgang noch 14 Prozent betragen, also weit mehr.

Nach einer Mini-Dividende für 2015 gibt es bei VW nun wieder Hoffnung auf mehr: Der den Aktionären zuzurechnende Konzerngewinn lag in den ersten neun Monaten bei 5,74 Milliarden Euro. Zu Beginn des Abgas-Skandals im Herbst 2015 war er auf 3,8 Milliarden Euro eingebrochen. Per September 2014 waren es noch 8,5 Milliarden Euro.