Berlin
Letzte Chance zur Aufholjagd

Martin Schulz muss am Sonntag im TV-Duell punkten Umfragen sehen Angela Merkel als Favoritin

01.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:33 Uhr

Berlin (DK) Für die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler steht das Ergebnis bereits vorher fest: 64 Prozent rechnen damit, dass Angela Merkel das mit Spannung erwartete Fernsehduell für sich entscheidet. Nicht einmal jeder Fünfte schätzt, dass Herausforderer Martin Schulz die bessere Figur beim Schlagabtausch vor den Kameras machen wird.

Vorteil für die Kanzlerin, glaubt man den jüngsten Umfragen. Wenn Merkel und Schulz am Sonntagabend an den Pulten im Studio Adlershof vor den Toren Berlins sich und den vier Modertoren gegenüberstehen, werden Millionen die Auseinandersetzung verfolgen. Den Sendern ARD, ZDF, RTL und Sat. 1, die das Spektakel ab 20.15 Uhr ausstrahlen, winken traumhafte Einschaltquoten.

Favoritin Merkel, Außenseiter Schulz - entscheidet Kanzlerkandidat Martin Schulz das Duell für sich und bläst noch einmal zur Aufholjagd, sorgt noch einmal für Spannung auf der Zielgeraden? Oder kann die Kanzlerin die Menschen vor den Bildschirmen für sich gewinnen und am Ende den Vorsprung der Union noch weiter vergrößern? Laut der aktuellen Sonntagsfrage des ZDF-"Politbarometers" liegt die Union mit 39 Prozent deutlich vor der SPD mit derzeit 22 Prozent.

Schulz steht mächtig unter Druck, schließlich gilt das Frage-Antwort-Spiel mit den Journalisten im 90-Sekunden-Takt als letzte Chance für ihn, vielleicht doch noch ein Wunder zu schaffen und eine Wende einzuleiten. Zwar halten Experten den Einfluss des TV-Duells auf den Wahlausgang für gering. Doch biete es vor allem dem Herausforderer die Chance, die eigenen Reihen für den Endspurt zu motivieren. "Es ist nicht entscheidend für die Wahl. Es geht um Showpräsenz und Sachkommunikation", erklärt der Parteienforscher Karl Rudolf Korte.

Spielregeln und Regie für den Ablauf der Live-Sendung stehen längst fest. Merkel und Schulz werden 90 Minuten lang von den Moderatoren Sandra Maischberger, Maybrit Illner, Peter Kloeppel und Claus Strunz zu den Themenfeldern Migration, Außenpolitik, Soziale Gerechtigkeit und Innere Sicherheit befragt. Die Redezeit der Kontrahenten wird gestoppt, keiner soll zu kurz kommen, das Zeitkonto soll für Chancengleichheit sorgen.

Lange war darum gerungen und heftig gestritten worden. So hart, dass das Duell beinahe geplatzt wäre. Merkels Berater sollen den Fernsehanstalten die Bedingungen diktiert, die Kanzlerin darauf bestanden haben, dass es nur ein und nicht wie von den Sendern und Herausforderer Martin Schulz gewünscht zwei Duelle vor der Wahl geben wird. "Die Entscheidung hieß, ein Duell ist besser als kein Duell", machte ZDF-Chefredakteur Peter Frey gestern deutlich, wie sehr das Kanzleramt Regeln und Format bestimmt hatte. Von "Erpressung" könne jedoch keine Rede sein, wies er Vorwürfe seines Vorgängers Nikolaus Brender zurück. Jetzt, wenige Stunden vor dem Kreuzverhör, sei es Zeit, einen Schlussstrich unter die Auseinandersetzung zu ziehen und nach vorn zu schauen, so ARD-Talkerin Maischberger.

"Ich bin froh, dass es wie in meinen früheren Bundestagswahlkämpfen ein Duell gibt", erklärte Merkel gestern und rechtfertigte das von ihr eng gezogene Korsett für den Zweikampf. Die Form der Sendung habe sich 2009 und 2013 bewährt und werde daher auch dieses Mal wieder angewendet. Auch dürfe man nicht vergessen, dass Deutschland keine Präsidialdemokratie sei wie etwa die USA. Sie achte die Pressefreiheit. Doch habe ein Politiker stets die Freiheit, selbst zu entscheiden, ob er oder sie die Einladung in eine Sendung annimmt oder nicht. Daher sollte auch mit Blick auf die kleineren Parteien die Zuspitzung auf zwei Personen eher die Ausnahme sein.

Wie gehen Merkel und Schulz in das Duell? Für die Kanzlerin ist es bereits das vierte Mal, für Schulz eine Premiere. Der SPD-Chef hat sich mit dem österreichischen Medienexperten Markus Peichl auf den Schlagabtausch vorbereitet und soll zuletzt auch Gerhard Schröders früheren Regierungssprecher Bela Anda in sein Team geholt haben. Merkel vertraut auf den Rat ihres Regierungssprechers Steffen Seibert und ihrer engen Mitarbeiterin Eva Christiansen.