Ingolstadt
Lernen unterm Riesenrad

29.09.2011 | Stand 03.12.2020, 2:21 Uhr

Lernen im Wohnwagen: Jeremy Hübsch, Giuliano Winter, David Neigert und Danny Winter (v. links) machen Schularbeiten zusammen.

Ingolstadt (DK) Ihr Leben ist sicher anders als das „normaler“ Schüler. Denn kaum kennen sie die Namen ihrer Klassenkameraden, heißt es schon wieder Abschied nehmen. Trotzdem wird das ein oder andere Kind neidisch auf Schaustellerkinder sein: Denn sie dürfen mit jedem Fahrgeschäft fahren – so oft sie wollen.

Ein moderner Wohnwagen, schön hergerichtet und liebevoll dekoriert: eine große Kerze und eine Pflanze auf dem Tisch, gleich daneben die Küche mit zwei Herdplatten. Das Bett ist auch nur ein paar Schritte entfernt. Hier lebt Familie Neigert. Natürlich nicht die ganze Familie, sondern nur Mutter Manuela und Vater Camo. Ihr 14-jähriger Sohn David Neigert hat sein Zimmer in einem anderen Wagen. „Ich mag es sehr, ständig unterwegs zu sein, nur in der Schule, da ist das ein wenig schwer“, erzählt David. Denn er geht immer dort zur Schule, wo seine Eltern gerade ihren Stand aufbauen. Und die Klassen sind im Lehrplan nicht immer gleich weit. „Also entweder kann ich schon alles, oder ich komme nicht gleich mit“, erzählt er.

Familie Neigert betreibt das „Lustige Kugelstechen“ und ist sowohl zu Pfingsten als auch im Herbst auf dem Ingolstädter Volksfest. Freunde hat der 14-Jährige überall, auch in der Mittelschule auf der Schanz, die er derzeit besucht. „Ich komme ja immer in die gleichen Klassen, deswegen kennen mich schon alle in den verschiedenen Städten. Die freuen sich dann, wenn ich wieder komme“, meint das Schaustellerkind. Aber auch in ebenso Betroffenen sieht David gute Freunde. Unter anderem die Winter-Brüder. Der zwölfjährige Guiliano Winter und sein jüngerer Bruder Danny sind bereits von klein auf dabei: „Ich bin so aufgewachsen. Ich helfe mit, wenn meine Eltern etwas brauchen. Wenn viel los ist, stehe ich auch selber im Geschäft“, meint Guiliano. Und der zehnjährige Danny erzählt: „Die meisten Kinder sind neugierig, wie wir so leben. Viele von ihnen, die nicht wissen, dass wir Schaustellerkinder sind, fragen, ob wir aufs Volksfest gehen, dann muss ich immer lachen und antworte, dass wir jeden Tag da sind.“ Einen großen Vorteil hat das Leben auf dem Rummel für die Kinder, wie Jeremy Hübsch weiß: „Wir dürfen alle Geschäfte kostenlos fahren. Darum beneiden mich fast alle Kinder in meiner Klasse.“

Eigentlich müssen die Kinder sogar mehr lernen als andere, weil nach der Schule oft noch eine Hauslehrerin kommt und mit den Kindern gemeinsam lernt. Trotzdem würden die Vier nie gegen ein „normales“ Leben tauschen. Und auf die Frage, was sie später einmal werden wollen, antworten alle vier fast gleichzeitig: „Schausteller“.