"Leiharbeitertarif des DGB besser als nichts"

10.05.2009 | Stand 03.12.2020, 4:58 Uhr

Eine Million Leiharbeiter: Diese Prognose stellte der Soziologe Dennis Eversberg bei der Konferenz in der VHS. - Foto: Rössle

Ingolstadt (DK) Heftige Kritik an der früheren rot-grünen Bundesregierung, aber auch an Zeitarbeitsfirmen und Gewerkschaften übten viele Teilnehmer einer Leiharbeiterkonferenz, die die Ingolstädter Bundestagsabgeordnete Eva Bulling-Schröter (Die Linke) und die Rosa-Luxemburg-Stiftung veranstalteten.

"Leiharbeit ist nichts anderes als moderner Sklavenhandel", sagte Bulling-Schröter nach der Begrüßung durch Stadtrat Jürgen Siebicke von den Linken. In den vergangenen Monaten seien rund 100 000 der bundesweit knapp 800 000 Leiharbeiter schon entlassen worden. Sämtliche Anträge der Linken im Bundestag wurden laut Bulling-Schröter von den anderen Fraktionen abgelehnt.
 
Dennis Eversberg vom Institut für Soziologie der Uni Jena wies darauf hin, dass die Liberalisierung des Arbeitnehmer-Überlassungsgesetzes (Hartz I) noch von der rot-grünen Bundesregierung beschlossen wurde. Das Verbot der Wiederbeschäftigung und der so genannten Synchronisation sowie die Regelung der Überlassungshöchstdauer seien entfallen. "Seit der Liberalisierung 2003 erfüllt die Leiharbeit nicht nur wirtschaftliche, sondern auch politische Funktionen", sagte Eversberg. Ihr strategischer Einsatz sei ein Mittel zur Hierarchisierung und Disziplinierung von Arbeitnehmern. Eversberg erwartet in Zukunft bis zu eine Million Leiharbeitnehmer und möglicherweise sogar den allmählichen "Abschied vom Normalarbeitsverhältnis".

Während die Rolle von DGB und IG Metall beim Abschluss von Tarifverträgen für Leiharbeiter unterschiedliche Bewertungen erhielt, wurden die christlichen Gewerkschaften mit ihren "Dumpingpositionen" einstimmig verurteilt. "Die christlichen Gewerkschaften sind weder christlich noch Gewerkschaften", sagte der katholische Diakon und Betriebsseelsorger Kurt Reinelt. Wie auch Thomas Händel, stellvertretender Vorsitzender der Luxemburg-Stiftung, forderte er gleichen Lohn für gleiche Arbeit. "Die Politik hat die Fakten geschaffen", verteidigte Walter Lang von der IG Metall die Position der Gewerkschaften: "Der Leiharbeitertarif des DGB ist besser als nichts."

"Die Zeitarbeitsfirmen verlangen das Doppelte und Dreifache der Löhne", erklärte Herbert Hansel, Geschäftsführer der Gesellschaft für Personalentwicklung (PPQ). Er kritisierte die frühere rot-grüne Bundesregierung mit den Worten: "Eine schwarze Regierung hätte sich das gar nicht getraut." Seine schwierige Situation schilderte Horst Hollube, Betriebsrat einer Ingolstädter Zeitarbeitsfirma. "Du bis der erste, der geht, und der letzte, der Hilfe erfährt", sagte er. Die Kollegen seien "austauschbar" und frustriert: "Es sind ja genug Arbeitslose da." Betriebsrätin Michaela Städele wies darauf hin, dass bei größeren Firmen viele Ingenieure nicht fest angestellt seien, sondern einen Werkvertrag hätten und daher gar nicht als Leiharbeiter geführt würden. Im Zuge der aktuellen Wirtschaftskrise seien deren Stundenlöhne schon gesunken.