Neuburg
Leiharbeit "spaltet und macht mutlos"

02.05.2010 | Stand 03.12.2020, 4:03 Uhr

Rote Nelken an die aufmerksamen Zuhörer verteilten bei der Maikundgebung in Neuburg Hauptrednerin Christiane Voigt (links) und DGB-Ortsvorsitzender Bernhard Dausend (rechts). - Foto: r

Neuburg (r) Wenn man die niedrige Arbeitslosenquote von 3,2 Prozent im Landkreis hinterfrägt, kommen Teilzeitstellen und Minijobs zum Vorschein. Das normale Arbeitsverhältnis drohe auszusterben, "ein Pervertierung der sozialen Marktwirtschaft", rief Bürgermeister Horst Gutjahr (SPD) bei der Maifeier.

Die Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes zog noch 150 Besucher zum Neuburger Schrannenplatz. Die Gesichter kennt man vomVorjahr. Eine Handvoll Kommunalpolitiker gibt sich die Ehre, ein Landratsvertreter ist schon nicht mehr dabei. DGB-Ortschef Bernhard Dausend und seine Vorgängerin Anita Fröde geben sich alle Mühe und verteilen rote Nelken. Die Gewerkschaftsjugend füllt rote Luftballons für den Flugwettbewerb. Kleine Lebkuchenherzen sollen an die Betriebsratswahl in der Glasfabrik erinnern: 98 Prozent Beteiligung.

Bei angenehmen Sonnenstrahlen setzt SPD-Bürgermeister Horst Gutjahr seine Arbeitsmarktanalyse fort. "Es ist düster geworden auf dem deutschen Arbeitsmarkt", meint der Sozialdemokrat, der als Lehrer die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft vertrat. Gutjahr hält es für unvertretbar, wenn heute jeder fünfte Arbeitnehmer einen "Vertrag mit Verfallsdatum" akzeptieren müsse. Leiharbeit und Minijobs nähmen zu. Diese Auswüchse, so Gutjahr, lähmen die Motivation und seien mitschuld an der Wirtschaftskrise.

Ebenso wie der SPD-Bürgermeister beklagt auch DGBler Bernhard Dausend den "Mangel an Solidarität und Parität in Deutschland". Während Beschäftigte mit Niedriglöhnen und Leiharbeit gedrückt würden, "gibt es Solidarität offenbar nur mit dem Ausland", formulierte der Gewerkschafter seinen Hinweis auf die Griechenlandhilfe. Dausend verlangte den für die Pflegeversicherung abgeschafften Feiertag zurück. Er sieht Mitbestimmung als Motivationsfaktor in den Betrieben und forderte die Besucher auf, "am 1. Mai aufzustehen und sich hinter die Jugend zu stellen".

Statt ewig über Reifemängel der Jugend zu klagen, sollte die Wirtschaft die Ausbildung in die Hand nehmen und mehr Lehrstellen anbieten, findet Christiane Voigt vom DGB Bayern. "Wenn 1,5 Millionen Menschen bis zu 29 Jahren ohne Arbeit sind, scheint das die Unternehmer wenig zu interessieren". Übernahmen nach der Ausbildung werden seltener. Der Einstieg in den Arbeitsmarkt laufe immer häufiger über Leiharbeit, Befristung und Minijobs, "und dazu auch noch schlecht bezahlt".

Hauptrednerin Voigt brandmarkte Leiharbeit als Missbrauch und Drohinstrument. Es spalte die Belegschaften durch unterschiedliche Bezahlungen. Nur sieben Prozent der Leiharbeiter würden dauerhaft übernommen. Die Unsicherheit nehme jungen Familien den Mut zur Lebensplanung mit eigenen Kindern.

Christiane Voigt sprach sich für EU-Hilfen an Griechenland aus. Jeder fünfte Griechen lebe mit weniger als 7000 Euro jährlich in Armut. Spekulanten schaden nicht nur den Griechen, sondern allen EU-Ländern. Gläubiger wie die Deutsche Bank verdienten auch an dieser Krise und wälzten die Verantwortung letztlich auf den Staat ab. "Ackermann, Blessing und Co. tragen Mitschuld an der Finanzkrise", urteilt die Gewerkschafterin. Wilde Finanzprodukte müssten verboten und eine Finanztransaktionssteuer eingeführt werden.