Ilmendorf
Leder als Lebenselixier

Bastler Ernst Engelbrecht aus Ilmendorf hat sein Hobby zum Beruf gemacht – Viele Aufträge aus der Biker-Szene

20.08.2014 | Stand 02.12.2020, 22:20 Uhr

„Ledermann“ Ernst Engelbrecht bei der Arbeit. Dabei entstehen ganz unterschiedliche Werke wie der filigrane Adler (rechts oben) oder das Lederstück mit dem eingeprägten Geisenfelder Wappen. Der Ilmendorfer hat aber auch ein Talent für Sattlerarbeiten, wie der schmucke Motorradsitz (unten) zeigt - Fotos: Richard James Winter

Ilmendorf (PK) Er nennt sich schlicht „der Ledermann“. Und ist im positiven Sinne des Wortes ein Unikum, ein Original. Ein Mensch, der seine Berufung gefunden hat. Ernst Engelbrecht aus Ilmendorf ist „Bastler“ aus Leidenschaft mit Hang zu Perfektion.

Wer die Werkstatt des 48-Jährigen betritt, wird von einem geordneten Chaos empfangen. In den Duft des naturgegerbten Leders, das hier auf die Verarbeitung wartet, mischt sich ein Hauch von Vanille. Der entströmt einer Pfeife. Genüsslich gönnt sich der breit lächelnde Hausherr einen Zug. Man hat das Gefühl, hier ist einer wirklich „bei sich angekommen“. Allerdings auf Umwegen, wie sich im Gespräch zeigen wird.

Im Privatleben verlief alles „ganz normal“: geboren in Mainburg, aufgewachsen in Oberpindhart, geheiratet und mit der aus München stammenden Frau nebst Schwiegereltern ins kleine Ilmendorf gezogen. Nicht zu vergessen: drei Kinder gezeugt und großgezogen.

Doch beruflich musste der 48-Jährige erst ein paar Runden abseits der Traumstrecke fahren, bevor er da ankam, wo er heute „nicht mehr weg will“. Am Anfang stand die Lehre als Elektroinstallateur, dann ein Jahr „als Handlanger im Hoch- und Tiefbau“, gefolgt vom 15-monatigen Wehrdienst in Rottenburg an der Laaber bei der Luftwaffe. Und dann 21 lange Jahre bei der BMW als Vorarbeiter, Betriebsrat und Anlagenfahrer an einer riesigen Presse – durchaus eine „faszinierende Tätigkeit“, trotz Schichtdienst und körperlicher Belastung.

Doch irgendwie hat Ernst Engelbrecht immer gewusst, das nur so lange zu machen, „bis ich finanziell auf der sicheren Seite bin“. Da sei er halt dann doch „ein bisserl konservativ“, gesteht er. Vor fünf Jahren war es dann soweit. Er unterschrieb einen Auflösungsvertrag und machte das Hobby, in dem er es über die Jahre „nebenbei“ zur Meisterschaft gebracht hat, zum Beruf.

Angefangen hat er mit dem Herstellen von Messern. „Und weil „da eine passende Scheide dazu gehört, hab ich bald Leder gerochen.“ Und seitdem lässt ihn dieser Werkstoff nicht mehr los – „weil er oid is“. Den haben Menschen schon vor 2000 Jahren verarbeitet „und des fasziniert mi“, sagt er in sympathisch-weichem Bayrisch. Die langen Locken und der leicht ergraute Rauschebart verleihen auch dem Gesicht des Hünen, der von der Statur her gut als Wrestler durchginge, sanfte Züge.

Während der 48-Jährige redet, bleiben seine zupackenden Hände nicht untätig, ständig werkelt er an etwas herum. Die Motorrad-Satteltaschen – ein selbst entworfener Prototyp aus punziertem Leder, innen mit Glasfaser verstärktem Kunstharz wasserdicht gemacht – müssen fertig werden. „Ich hab Aufträge bis weit in den Winter hinein“, freut er sich über die Anerkennung nicht nur in der Bikerszene.

Vom ersten Werkstück, einem Tabakbeutel für den Eigengebrauch, über Geldbeutel als Geschenk für Freunde war es ein weiter Weg bis zur heutigen handwerklichen Perfektion. 2006 näht er noch per Hand keltische Bundschuhe, um sie auf dem Mittelaltermarkt „Cave Gladium“ in Furth zu verkaufen.

Es folgt eine selbst punzierte (also per Druck mit einem Stempel geprägte) Lederweste für Ausflüge mit der 1984 Harley Davidson oder seiner Suzuki GSXR 1100. Er verfeinert seine Technik, beginnt für Biker-Klubs „die Kluft mit Emblemen und Colors zu versehen“. Und muss sich 2008 eine erste Leder-Nähmaschine kaufen, um der wachsenden Zahl an Aufträgen Herr zu werden. Inzwischen stehen sieben solche moderne Helfer mit unterschiedlicher Funktion inmitten eines beeindruckenden Arsenals an teils historischen Werkzeugen.

Doch bleibt es nicht bei Hosen, Jacken oder Gürteln. Es werden auch Sitzbänke mit Stachelrochenleder, Armbänder mit Lachsleder-Applikationen oder hochwertige Hosen aus Elchleder angefragt und natürlich auch geliefert.

Ein Flohmarktbesuch bringt eine weitere Wende für den Tausendsassa, der in einer Skiffleband Waschbrett spielt. Auf der Suche nach alten Werkstoffen wird er an Peter Walkewitz aus Buxheim verwiesen, einen erfahrenen Sattler. Bei einem „Langzeitpraktikum“ weiht der Mentor ihn in die Feinheiten seines Fachs sowie in die Arbeit eines Kürschners und Feintäschners ein. Viele „Kniffs und Ticks“ bis hin zur hohen Kunst des Lenkrad-Überziehens beherrscht Engelbrecht seitdem.

Große Rollen mit allerlei Stoffen zeugen von dem Endergebnis dieser „Lehre“. Sie dienen dem Polstern und Beziehen von Fahrzeugteilen, verrät der Kunsthandwerker und hantiert derweil am Armaturenbrett eines Maserati herum. Eine fummelige Angelegenheit, bei der es auf den Millimeter ankommt. Nicht ohne Stolz verweist Engelbrecht auf seine Homepage. Da sieht man einen 1965 Mercedes „Pagode“ mit neuem Verdeck und einen 40-Tonner von Peterbilt mit komplett erneuerter Innenausstattung.

Anfangs habe er „schwer zu kämpfen gehabt“, räumt der Ilmendorfer ein. Aber per Mundpropaganda haben sich sein Talent und seine Vielseitigkeit („ich polster auch Eckbänke oder Sofas“) herumgesprochen. Mittlerweile können er und seine Familie „von dem Job leben“. Wenn auch nicht auf großem Fuß. Was der ansteckenden Zufriedenheit dieses ein wenig „bärig“ anmutenden Kerls keinen Abbruch tut. Denn „Geld ist nicht alles“, sagt er. Der wahre Luxus sind für ihn „ein Eis essen bei Sonnenschein mit der Familie“ und das Geschenk, trotz eines Zehnstundentages sagen zu können: „Meine Arbeit ist für mich wie Urlaub“.