Ingolstadt
Lecksuche aus der Luft

Stadtwerke lassen ihr Fernwärmenetz erstmals mittels Drohnenflügen auf mögliche Schwachstellen untersuchen

07.02.2020 | Stand 23.09.2023, 10:28 Uhr
  −Foto: Heimerl

Ingolstadt - Das leise surrende Fluggerät hat seine Arbeit in klarer Nacht bei leichten Minusgraden verrichtet.

Als die Stadt noch schlief, haben Sven Kaleta und Torsten Siebenlist vom Dresdner Unternehmen Airmess am frühen Freitagmorgen zwischen Mailing und dem Stadtzentrum mit ihrer Drohne Patrouille geflogen: Im Auftrag der Stadtwerke wurde die Fernwärmeleitung, die von der Müllverbennungsanlage (MVA) in die Stadt führt, auf mögliche Schwachstellen oder gar Leckagen überprüft - aus bis zu 100 Metern Höhe, mittels einer empfindlichen Wärmebildkamera, die ihre Videosignale per Funk ans Aufzeichnungsgerät am Boden sendet.

Es ist das erste Mal, dass die Firma Airmess einen Auftrag aus Ingolstadt abarbeitet. Als das Unternehmen im vergangenen Herbst im hiesigen Rathaus auf Akquise ging, hat man dort offene Türen eingerannt. OB Christian Lösel, ohnehin von der Idee einer Smart City überaus angetan, konnte die Drohnenflieger aus Sachsen den Stadtwerken offenbar anschließend nur wärmstens empfehlen. Und so wird das städtische Fernwärmenetz in diesen Tagen eben erstmals einer luftgestützten Kontrolle unterzogen.

Die Stadtwerke haben inzwischen 82 Kilometer Fernwärmeleitungen verlegt. Die erste wurde 1985 zwischen der Mailinger MVA und dem Stadtzentrum in Betrieb genommen - genau jene Trasse, die jetzt als eine der ersten nach dem neuen Verfahren untersucht wird. Nach und nach, so heißt es beim Energieversorger , soll das gesamte Netz so unter die Lupe genommen werden. Zum Ingolstädter Fernwärmeverbund zählt seit 2011 auch die Gunvor-Raffinerie. Weil ausschließlich Abwärme der Großanlagen für die Beheizung vieler Gebäude genutzt wird, können durch die Fernwärme in der Stadt inzwischen jährlich 73000 Tonnen CO2 eingespart werden.

Große Pipelines werden schon seit jeher aus der Luft überwacht, meistens mit Hubschraubern, die die Trassen regelmäßig abfliegen. Eine Helikopterstunde ist allerdings recht teuer, der Fluglärm zur Nachtzeit nicht unbedingt erwünscht. Und Nacht muss es schon sein bei einer Wärmebilduntersuchung, wie sie für eine unterirdisch verlegte Fernwärmeleitung zu empfehlen ist. Nacht - und Winter. Denn dass das Aufspüren von Temperaturunterschieden auf einer Leitungstrasse tagsüber unter Sonneneinstrahlung oder in wärmeren Jahreszeiten schwieriger bis unmöglich ist, leuchtet ein.

Deshalb sind die Experten von Airmess, wenn es um Aufträge wie jetzt in Ingolstadt geht, auch Nachtarbeiter. Sie bereiten sich zwar bereits im Büro mit Kartenmaterial vor und gehen oder fahren ihre Auftragsstrecken auch unmittelbar vor dem eigentlichen Einsatz bei Tageslicht ab, um sich mit dem Verlauf vertraut zu machen und mögliche Hindernisse (z. B. Baustellen, Hochspannungsleitungen) aufzuspüren. Doch ernst wird es immer erst in den Stunden nach Mitternacht, wenn die Auskühlung von Atmosphäre und Boden am größten ist. Dann wird die Drohne von einem geeigneten Startplatz in die Luft gebracht und aus dem Auto heraus geführt und in strammer Schrittgeschwindigkeit verfolgt. Wichtig (und vorgeschrieben) ist ständiger Sichtkontakt des Piloten zum Fluggerät, das sich nachts mit Positionslampen bemerkbar macht. Die aufgezeichneten Daten werden später bei Airmess noch gründlich aufbereitet, denn nicht jedes Detail, das den Auftraggeber interessieren könnte, erschließt sich sofort bei der Observation.

Unternehmensgründer Sven Kaleta ist vor rund fünf Jahren in den Markt der Drohnenanwendungen eingestiegen. Eigentlich kommt er aus der Medienbranche, hat auch schon in der Versicherungswirtschaft gearbeitet. Als flugbegeisterter Technikfreund (hobbymäßig auch als Helikopterpilot aktiv) hat er erkannt, dass Flugroboter nicht nur eine nette Spielerei darstellen, sondern dass auch gutes Geld damit verdient werden kann. Vorausgesetzt, man spart nicht bei der Anschaffung des Fluggerätes und der technischen Peripherie. Die jetzt in Ingolstadt eingesetzte Drohne ist ein nur fünf Kilogramm schweres Spitzenmodell aus deutscher Fertigung im Wert eines Mittelklassewagens. Airmess-Chef Kaleta: "Wir fliegen Königsklasse. "

Neben den Drohnenflügen bietet Airmess inzwischen auch weitere digitale Dienstleistungen an, beispielsweise Scans von Innenräumen für Firmenpräsentationen. Einige Autohäuser haben sich so schon einen virtuellen Showroom fürs Internet geschaffen, der einen körperlichen Besuch im echten Geschäft beinahe schon überflüssig macht . . .

DK

Bernd Heimerl