Lebensmittelpunkt am Rand, Zentrum verwaist

18.07.2006 | Stand 03.12.2020, 7:42 Uhr

Ingolstadt (rpg) "Als Bürgerin und Architektin bin ich davon überzeugt, dass jede Stadt eine lebendige und kraftvolle Mitte braucht", sagte Karin Sandeck, Sachgebietsleiterin für die Städtebauförderung der Obersten Baubehörde im Bayerischen Innenministerium. Die Expertin sprach mit diesen Worten wohl für alle Anwesenden im Spiegelsaal des Kolpinghauses. Dort haben gestern etwa 60 Bürgermeister, leitende Verwaltungsangestellte, City- und Regionalmanager sowie Fachreferenten aus ganz Bayern die aktuellen Entwicklungen im Städtewesen diskutiert.

Unter dem Titel "Innenstädte, Stadtteile und Quartiere nachhaltig entwickeln und managen" standen beim 5. Bayerischen Stadtmarketing-Tag in Ingolstadt die Ortszentren im Mittelpunkt des Interesses.

"Innenstädte", so Sandeck auf der vom Institut für City- und Regionalmanagement Ingolstadt or?ganisierten Veranstaltung, "haben im Ortsgefüge eine besondere Bedeutung." Sie prägten das Bild der Stadt und damit deren Charakter. Dieser wiederum trage entscheidend dazu bei, dass sich die Einwohner ihrer Stadt verbunden fühlten und ein "Wir-Gefühl" entstehe. Seit geraumer Zeit jedoch veränderten sich Stadtzentren. Es bildeten sich sozial geschlossene Stadtviertel, die beispielsweise ausschließlich von einkommensstarken oder einkommensschwachen Bevölkerungsteilen bewohnt würden. Weiter rückten Wohngebiete, Geschäfte und Produktionsstätten aus den Ortsker?nen heraus an den Rand. Geschäften in der Innenstadt würde damit Kundschaft entzogen. Infolge dieser Entwicklungen drohten Stadtzentren zu verwaisen. "In vielen Gemeinden finden sich brach liegende Flächen inmitten der Stadtkerne", sagte Sandeck.

"Die Leute stimmen mit den Füßen ab. Der Kunde kauft dort ein, wo er parkt", führte Bernd Ohlmann, Geschäftsführer des Landesverbandes des Bayerischen Einzelhandels, die Problematik weiter aus. Innenstädte könnten wegen des Denkmalschutzes und der beschränkten Parkmöglichkeiten nur schwer mit großen Einzelhandelsprojekten in Gewerbegebieten – Einkaufs - oder Factory-Outlet- Zentren etwa – konkurrieren. Solche Projekte werteten einen Ort zwar oftmals auf, lenkten unter Umständen jedoch eben auch den Kundenstrom aus der Innenstadt in die Randgebiete. Auch wenn noch nachgebessert werden müsse, kann Ohlmann dem aktuellen Bayerischen Landesentwicklungsprogramm (LEP) daher viel Positives abgewinnen. Das LEP bemüht sich um funktionsfähige Stadtkerne, indem es mit entsprechenden Regelungen beispielsweise eine wohnortnahe Grundversorgung mit Geschäften sicherzustellen versucht. "Die Nahversorgung", sagte Ohl?mann, "kann eine Chance sein, eine Stadt aufzuwerten."

Doch nicht nur Geschäfte machen eine attraktive Innenstadt aus, wie Sandeck erklärte . Ebenso wichtig sei es, diese verkehrstechnisch zu erschließen, sie für alle Generationen ansprechend zu gestalten und sie als Wohn- sowie Freizeitgebiet auszubauen. All das müsse die zentrale Aufgabe jeder Stadtpolitik sein. Denn: "Die Stadtzentren markieren unsere Heimat."

"Die Gestaltung der Innenstädte ist eine Gemeinschaftsaufgabe", betonte Sandeck weiter. Die Bürger seien dabei ebenso gefordert – indem sie etwa die kulturellen Angebote in den Stadtzentren nutzten, dort einkauften und wohnten – wie die Stadtväter. Diese können bei ihren Bemühungen um die Innenstädte auch mit finanzieller Unterstützung der EU, des Bundes und des jeweiligen Bundeslandes rechnen. Knapp 100 Millionen Euro stehen in diesem Jahr 641 Städten und Gemeinden in Bayern im Rahmen der Städtebauförderung zur Verfügung. Unter anderem Projekte wie die "Soziale Stadt" werden aus diesen Mitteln finanziert.

Für d as Zentrum Ingolstadts fanden Referenten und Veranstalter des 5. Bayerischen Stadtmarketing-Tages gestern nur lobende Worte. "Das ist eine tolle Innenstadt. Ich weiß wovon ich rede. Ich habe lange hier gelebt", sagte Bernd Ohlmann. Und Werner Richler, Vorsitzender des Instituts für City- und Regionalmanagement Ingolstadt, meinte: "Ingolstadt ist hervorragend positioniert." Beispiele für das gelungene Engagement der Stadt und ihrer Bewohner seien die Fanmeile auf dem Rathausplatz während der Fußball-WM und das bevorstehende Stadtjubiläum. "Wir sind sehr gut aufgestellt."