Ingolstadt
Lebensgefährliche Kreuzungen

Nach tödlichem Unfall mit Radfahrerin: Wo sind die Problemstellen und was kann man tun?

30.01.2015 | Stand 02.12.2020, 21:42 Uhr

Ingolstadt (DK) Eine 29-jährige Radfahrerin ist am Donnerstag von einem Lkw auf der Nördlichen Ringstraße überrollt worden. Noch am Unfallort ist sie gestorben. Es ist eine von vielen gefährlichen Stellen für Radfahrer in der Stadt. Was kann man dagegen tun

„Gefahrenstellen für Radfahrer haben wir überall da, wo Lastwagen abbiegen“, sagt Franz Bäumler, Verkehrsexperte der Ingolstädter Polizei. Die Marktkaufkreuzung, die Schillerstraße, der Südliche Ring – unter vielen anderen. Und warum gerade da, wo Lastwagen abbiegen? „Wenn ein Lkw beteiligt ist, sind die Verletzungen eben besonders schwer.“ So wie auch in dem Fall der jungen Frau am Nordbahnhof.

2013 gab es in Ingolstadt 291 Unfälle mit Radfahrern, bei vielen gab es Schwerverletzte, drei davon endeten tödlich. „Alle drei waren Senioren, und in allen drei Fällen gab es Vorfahrtsverletzungen“, sagt Franz Bäumler. Für 2014 hat er noch keine offiziellen Zahlen, doch, soweit er es abschätzen kann, „dürfte sich die Zahl der Unfälle mit Radfahrern zum Vorjahr gesteigert haben, auf um die 300“. Im vergangenen Jahr gab es laut Franz Bäumler einen tödlichen Radfahrerunfall mit einem 89-jährigen „Geisterradler“ in der Stadt. Und nun schon der erste 2015 an der Nördlichen Ringstraße. Hätte man das verhindern können?

„Im aktuellen Fall war es der tote Winkel, der zu dem Unfall geführt hat, der ist besonders gefährlich“, erklärt Bäumler. Der Lastwagenfahrer hat die Frau also nicht im Spiegel gesehen. Deshalb halte die Polizei gerade in Seniorenvereinen Vorträge zum toten Winkel. Auch in Kindergärten und Schulen gebe es Fahrradunterricht. Denn: Bei etwa 60 Prozent der Unfälle seien die Radfahrer laut Franz Bäumler zumindest mit schuld. Allerdings: „Ein Autofahrer muss immer aufpassen, es könnte ja auch ein Kind kommen, das auf dem Gehsteig fahren darf.“

Der tote Winkel sei tatsächlich eine Riesengefahr bei Lastwagen, bestätigt Fahrschulinhaber Rolf Langer. „Gefährlich ist es immer, wenn der Lkw-Fahrer nach rechts abbiegt. Sobald er einlenkt, sieht er den Radweg nicht mehr.“ Das Problem sei ein Fahrfehler, der wohl auch im Fall der getöteten Frau vorliegt: „Der Fahrer müsste so lange nach vorne, also parallel zum Radweg, fahren, bis er ganz auf einmal abbiegen kann.“ Oft würden die Fahrer aber schon früher einlenken und dann noch einmal stehen bleiben, weil sie zum Beispiel Fußgänger vorbei ließen. „In dieser Phase kann dann alles passieren.“ Radfahrer nähern sich von hinten, Fußgänger, ein Rollstuhlfahrer, ein Kind auf einem Dreirad. Wenn der Lkw-Fahrer dann abbiegt, tut er das quasi blind, denn in seinem Spiegel kann er den Radweg nicht mehr sehen, sobald er nicht mehr parallel dazu steht. Ist er dann auch noch etwas schneller und tastet sich nicht millimeterweise voran, geschieht das Unglück.

Es wird dem Lastwagenfahrer angelastet, wenn etwas passiert, doch die unmittelbaren Konsequenzen erleidet der Radfahrer. Daher, findet Rolf Langer, müssten auch die Radfahrer genau wissen: „Wann sieht mich der Lastwagenfahrer nicht mehr“ Diese Sensibilisierung sei wichtig, damit der Radfahrer im Zweifelsfall entscheidet, dass er lieber einmal auf sein Vorfahrtsrecht verzichtet und stehen bleibt, sobald der Lastwagenfahrer eingelenkt hat. Der tote Winkel ist auch ein Schwerpunkt in der Prüfung – „wir trainieren das intensiv und im Detail“. Doch: Fehler können nie ausgeschlossen werden.

Mehr elektrische Grünpfeile können laut Rolf Langer die Kreuzungen noch mehr entschärfen, denn dann wisse der Fahrer mit Sicherheit: „Alle anderen haben Rot.“ Ingolstadt sei eine Radfahrerstadt, mit abgesenkten Bordsteinen und gut markierten Wegen. „Da können sie schnell daherkommen und wollen dann natürlich auch durchziehen.“