Ingolstadt
Lebensfreude in der Krise

Hollerhaus in Ingolstadt stellt sich den vielfältigen Herausforderungen der Corona-Pandemie

11.05.2020 | Stand 02.12.2020, 11:22 Uhr
In der Förderstätte in Ingolstadt an der Hollerstaude sind Notgruppe eingerichtet. −Foto: Hollerhaus

Ingolstadt - Die Corona-Pandemie verändert auch das Leben im Hollerhaus in Ingolstadt auf bisher nicht gekannte Weise.

 

"Verstehen wir uns doch grundsätzlich als offenes Haus, das Begegnung und Teilhabe ermöglicht, so sind wir derzeit gezwungen zum Schutz unserer Klienten und Mitarbeitenden die Türen geschlossen zu halten", berichtet Geschäftsführer Roman Schiele.

Seit März besteht auch in den Einrichtungen des Vereins für körper- und mehrfachbehinderte Menschen in Ingolstadt ein striktes Besuchsverbot. In der Förderstätte an der Hollerstaude gibt es derzeit drei Notgruppen für diejenigen Klienten, die zwar bei ihrer Familie leben, aber von ihren Angehörigen tagsüber nicht betreut werden können. Alle anderen Klienten werden derzeit rund um die Uhr in Wohngruppen der Wohnheime oder zu Hause von den Angehörigen betreut.

Therapeutische Maßnahmen und Angebote der Einzelförderung finden deshalb derzeit nicht im selben Maße statt, wie es die Klienten sonst gewohnt sind. "Wir bemühen uns aber", berichtet Bereichsleiterin Stephanie Daser, "vieles in kleinerer und veränderter Form auch jetzt zu ermöglichen. " So werden regelmäßig Spaziergänge mit Klienten durchgeführt oder Bewegungsübungen gemeinsam in der Wohngruppe angeboten. Auch kreative Angebote wie Malen und Filzen oder das Scrapbooking, die nicht auf spezielle Werkräume angewiesen sind, können im begrenzten Maße erfolgen.

Die tägliche Begegnung mit anderen, die gemeinsame Aktivität und geteilte Lebensfreude - all dies muss sich jetzt allerdings auf den kleinen Kreis der eigenen Wohngruppe beschränken. Viele sinnstiftende Tätigkeiten, die sonst den Tagesablauf einer Förderstätte strukturieren, wie Flaschendienst oder Wäsche wegbringen, entfallen.

Grundsätzlich heißt es, die plötzlich veränderte Lebenssituation zunächst einmal zu verstehen. Gewohnte Abläufe verändern sich und müssen neu geordnet werden: Den morgendlichen Transport in die Förderstätte gibt es nicht mehr, die Mahlzeiten werden die ganze Woche in der Wohngruppe eingenommen. "Viele unserer Klienten erleben diese veränderte Situation aber auch als Chance und Bereicherung, einmal mit anderen den Alltag zu teilen", berichtet Daser.

Dies gilt ebenso für die vielen Mitarbeitenden der Förderstätte, die nun ihre Arbeitszeit in den Wohngruppen einbringen und auf diese Weise das dortige Leben kennenlernen. Da ergeben sich neue Erfahrungen und Perspektiven, die für die Zeit nach Corona sicherlich wertvoll sind.

"Ich bin froh", betont Hollerhaus-Geschäftsführer Roman Schiele, "wie gut sich in den letzten Wochen die Zusammenarbeit zwischen unseren Wohnheimen und der Förderstätte eingespielt hat. Für die 24-Stunden-Betreuuung in den Wohnheimen musste kurzfristig ein Dreischichtbetrieb organisiert werden. In der Förderstätte war zunächst eine Notgruppe einzurichten, mittlerweile sind es dort drei. Und im Mai wird es auch eine Notgruppe in der Förderstätte auf dem neuen Hollerhof in Münchsmünster geben. "

Die feierliche Einweihung dieser neuen Einrichtung mit Festakt und großem Sommerfest musste aufgrund der Corona-Pandemie auf das nächste Jahr verschoben werden. Und dennoch sind in den letzten Wochen die Arbeiten dort weitergegangen, sodass in der Förderstätte mittlerweile die Räume bezogen sind, Möbel geliefert wurden und der Betrieb eigentlich starten könnte.

"Überhaupt beeindruckt mich", so Roman Schiele, "mit welch großem Engagement unsere Mitarbeitenden die derzeitige Situation meistern und auch die vielen Projekte weiter bearbeiten, die eigentlich für dieses Jahr geplant waren. " So wird im Juni im Medi-IN-Park in Ingolstadt das neue Medizinische Zentrum für erwachsene Menschen mit Behinderung (MZEB) starten, das von der Hollerhaus Tochtergesellschaft ProNobis betrieben wird (Homepage: www. pronobis-in. de). "Gerade in Zeiten von Corona ist dieses medizinische Angebot sehr wertvoll. "

Glücklicherweise habe das Hollerhaus bislang keinen Infektionsfall zu verzeichnen. Dies sei umso erfreulicher, da viele Klienten zu Risikogruppen gehören und besonders geschützt werden müssen. Eine große Herausforderung stelle die Beschaffung von Schutzkleidung und Desinfektionsmaterial dar. "Dass wir aus der Bevölkerung mit zahlreichen Spenden einfacher Mund-Nasen-Schutze bedacht wurden, war einfach toll. Diese Unterstützung würden wir uns auch bei der professionellen Schutzkleidung für Pflegepersonal wünschen", so Schiele.

Engagiert zeigen sich auch die FSJler und Bufdis, die sich alle dazu bereit erklärt hätten, ihren Dienst auch weiterhin in den Einrichtungen zu leisten, obwohl sie dazu im Rahmen der Pandemie nicht verpflichtet wären. Verlässlicher Partner bleibt das Hollerhaus auch bei den Offenen Hilfen werde das Beratungs- und Unterstützungsangebot aufrecht erhalten: Jeweils montags und mittwochs von 12.30 bis 15 Uhr gibt es eine Beratungs-Hotline unter (0841) 138 049-400. Das nun allmählich der Unterricht für einzelne Jahrgänge an den Schulen wieder startet, stehen auch die jeweiligen Schulbegleiter der Offenen Hilfen bereit. "Bei all den Herausforderungen", zeigt sich Roman Schiele überzeugt, "gelingt es uns, unsere Lebensfreude miteinander zu teilen und zur Grundlage unserer Arbeit zu machen. "

DK