Thalmässing
Launige Leiden des Lehrers

Poetry Slam: Nicolas Schmidt alias Bybercap sorgt im Bunker für Amüsement

04.10.2013 | Stand 02.12.2020, 23:35 Uhr

Wenn schon Schüler mit Hartz IV kokettieren, sind pädagogische Fähigkeiten gefragt. Doch Nicolas Schmidt arbeitet als Poetry Slammer auch die komische Seite dieser Erfahrung heraus. - Foto: Steigerwald

Thalmässing (HK) Im normalen Leben ist Nicolas Schmidt Lehrer in Erlangen. Auch in diesem Beruf findet er den Stoff, den er als Poetry-Slam-Kabarettist in ein unterhaltsames Programm einfließen lässt. Im Bunker hat er jetzt sein Soloprogramm präsentiert – mit großem Erfolg.

Nicolas Schmidt, bekannt auch unter dem Pseudonym Bybercap, liest dabei vorwiegend neue Texte, die teilweise auch in seinem kürzlich erschienenen Werk „Dem Herrn Schmied sein Tagebuch“ zu finden sind. Begleitet von den jungen Musikern Claudia Trinczek und Raphael Kestler begrüßt der Künstler mit dem Lied „You belong somewhere you feel free“ das Publikum und beginnt nach kurzen Grußworten mit dem bemerkenswerten Text „Ruhe bitte“. Damit sorgt er sofort für Stille im Raum – die Aufmerksamkeit ist ihm fortan gewiss.

Der erste Text ist eine Art Streifzug durch die Wortmaschinerie, die Bybercap zeit seines Lebens umschlingt. Schon frühzeitig wird ihm zu erkennen gegeben, dass er es wohl schwer haben wird, eine passende Frau an seine Seite zu bekommen. Das wiederum biete ihm genügend Spielraum, sich auf die wirklich wichtigen Dinge im Leben zu konzentrieren, wie er sagt.

Derartige Kontraste sind in den Wortspielen des Künstlers keine Seltenheit. Die schier unendlich komplizierten, ja nahezu akademischen Gespräche zur Definition eines erstklassigen Fußballspiels lassen bei ihm die Begeisterung für diesen Sport erst gar nicht aufkommen. Kaum vorstellbar, dass man jubeln kann, wenn ein Spieler die Kugel trifft und das Ding ganz einfach ins Netz knallt. Kann der Fußball wirklich so einfach sein?

Auf sarkastische Weise arbeitet Bybercap in seinem Text heraus, dass wir meist mehr damit beschäftigt sind, die Dinge kaputt zu diskutieren, indem wir sie immer wieder von unterschiedlichsten Seiten beleuchten und ständig neu analysieren. Wenn gar keiner mehr durchblickt, kommt dann ganz lapidar die Antwort: „Passt schon!“ Weniger ist manchmal eben mehr. Und vieles erledigt sich von ganz alleine.

Zunächst war Nicolas Schmidt nur ein begeisterter Besucher von Poetry Slams und beeindruckt von dem Dichterwettstreit. Vor rund neun Jahren begann er dann selbst, Texte zu verfassen. Dabei geht es um seine Mutter, um Gerechtigkeit – und um Terrorcamps. Hierbei bleibt es nicht aus, dass er sich über die sogenannten heiligen Krieger und ihren Dschihad lustig macht. Gleichzeitig bemerkt er, dass das meiste Übel wohl von der „zivilisierten Welt“ ausgeht.

Die meisten Texte beziehen sich aber auf das Berufsleben von Nicolas Schmid. Dabei wandelt der Englischlehrer als Herr Schmied durch den Alltag seiner Schule. Kollegen, Schüler und Eltern nehmen ihn schwer in die Pflicht. So sehr er auch darum kämpft, den Anforderungen gerecht zu werden, muss er sich doch oft seine eigene Kapitulation eingestehen. So bleibt es nicht aus, dass er die Kollegen im Lehrerzimmer manchmal am liebsten verwünschen würde.

Nur in seinen Texten ist Schmidt alias Bybercap der unangefochtene Herr der Dinge. Seine Kunst, Kontroversen mit seinen Schülern an den Mann zu bringen, ist schlichtweg genial.

So hält Herr Schmied in seinem Tagebuch eine Episode fest, in der er einem Schüler empfiehlt, sich schon mal mit Hartz IV auseinanderzusetzen. Prompt kommt die Gegenfrage: „Wie viel verdient man denn da“ Natürlich gibt Lehrer Schmied freundlich die Auskunft, dass das so bei 450 Euro liegt und denkt, dass er den Schüler damit wachrütteln kann. Doch erfährt er schnell die Grenzen seiner pädagogischen Kunst, denn: „Das langt mir.“

Die Erlebnisse aus dem täglichen Leben des Erlanger Lehrers dienen als Inspiration für seine Texte. Dabei schlägt der Künstler immer wieder einen gewaltigen Spannungsbogen zwischen realem Schulalltag und der eigenen Gedankenwelt. Natürlich spielt Schmidt in gewisser Weise mit den realen Erlebnissen und überzeichnet die jeweiligen Situationen gewaltig. Dabei bleibt nicht aus, dass manchmal derbe, aber vor allem irrwitzige Wort- und Gedankengefechte die Lachmuskeln der Zuhörer strapazieren. Nicht umsonst ist Schmieds Video „Fly like an Eagle“ auf YouTube der meistverbreitete deutschsprachige Poetry-Slam-Clip.

Durch die Musikeinlagen von Raphael Kestler aus seinem neuen Album „Landen“ wird der Spannungsbogen im Bunker immer wieder geglättet und dem Publikum notwendige Atempausen gegeben. Mit seinen wunderbaren deutschsprachigen Folksongs gelingt es dem jungen Musiker, den Abend noch abwechslungsreicher zu gestalten. Großer Applaus für alle Beteiligten.