Larmoyante Seelenblähungen

10.02.2010 | Stand 03.12.2020, 4:16 Uhr

Banales vor dem Kleiderständer: Gegen die Vorlage der Autorin Justine del Corte half auch Jochen Schölchs Regiekunst nichts. - Foto: Stadttheater Oblomow

München (DK) Zwei fahrbare Kleiderständer, vollgepackt mit Klamotten in allen Größen, Farben und Modestilen, beherrschen die Bühne.

Dahinter drei Frauen, die abwechselnd oder gemeinsam zwischen den Mänteln, Jacken und Hosen hervortreten. Spot an: Vom alltäglichen Leben berichten sie, von ihrem kleinen und großen Glück, das plötzlich und ohne ihr Zutun ins Gegenteil sich verkehrt hat. Spot aus. Die Nächste bitte.

In insgesamt 43 Szenen hat die 1966 in Mexiko geborene Theater- und Drehbuchautorin Justine del Corte in diesem "Alptraum vom Glück" Situationen eingefangen, in denen Menschen ihre Enttäuschungen darlegen. Gut zwei Dutzend dieser Monologe hat Jochen Schölch für seine Inszenierung dieses 2007 bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen uraufgeführten Stückes nun ausgewählt. Ob es die besten sind, sei dahingestellt.

Denn ohne jeglichen kritischen Unterton schildern hier eine ältere Frau (Christiane Blumhoff) und zwei Mädchen (Claudia Carus und Lea Woitack) für Außenstehende höchst belanglose Episoden aus ihrem Leben: Die eine erzählt trotz (oder wegen) häufigen Männerwechsels von ihrem langweiligen Liebesleben, die andere setzt uns davon in Kenntnis, welchen Schock sie erlitt, als sie eines Tages ohne Geldbörse vor der Supermarktkasse stand. Und die dritte informiert uns, wie peinlich es ihr war, als ihr Vater in einer Bar ein Mädel aus den USA anbaggerte.

Von den Schauspielerinnen wenigstens frisch dargeboten sind diese Geschichten, die so realistisch und banal sind wie das Alltagsleben selbst. Doch bühnentauglich oder gar abendfüllend sind sie kaum. Dazu zwei Männer, die als bodenständige Bühnenarbeiter die Kleiderständer hin- und herschieben und dabei über Religionen im Allgemeinen und den Dalai Lama im Besonderen schwadronieren. Außerdem auch noch ein radebrechender ausländischer Student und ein stammelnder Rothaariger mit Wikingerhelm. Ohne dramatische Höhen und Tiefen ist das alles; nicht einmal als Darstellung der Absurdität des Daseins ist es zu verstehen. Nur larmoyante Seelenblähungen wabern hier von der Bühne, weshalb wohl zur "Auflockerung" ein Kotzbrocken eines Regisseurs (Matthias Grundig) aus dem Off die Schauspieler zwischendurch auf das Übelste zusammenstauchen darf.

Schade, zur Eröffnung dieses "Oblomow Stadttheaters" hätte Jochen Schölch schon ein anderes, ein besseres Stück mit mehr Biss präsentieren sollen. Denn in seinem Metropol-Theater in Freimann hat er in den letzten Jahren zur Freude der Schauspielbegeisterten stets bewiesen, welcher Charme und welche Aussagekraft vielen bekannten und noch mehr unbekannten Stücken innewohnen, wenn sie mit Elegie und Poesie durchpulst werden. Dabei böte diese neue, nach der Romanfigur Oblomow benannte Spielstätte mit ihrem intimen spätklassizistischen Raum samt Caféhaustischchen, Thonet-Stühlen und gepflegten Weinen doch das ideale Ambiente für das große Theaterglück ohne Stück-Alpträume.