Gaimersheim
"Landwirtschaft ist meine Berufung"

Matthias Bergmeister erntet als Lohndrescher für Bauern, für die sich ein eigenes Fahrzeug nicht lohnt

09.08.2016 | Stand 02.12.2020, 19:26 Uhr

Foto: DK

Gaimersheim (DK) "Der viele Regen ist einfach fürchterlich!" Matthias Bergmeister seufzt. "Die Witterungslage gerade ist echt schwierig, mir kommt es manchmal vor, als würden wir das Getreide vom Feld stehlen. Fünf Liter Regen sind okay, aber wenn auf einmal 25 runterkommen, dann geht zwei bis drei Tage erst mal gar nichts. Das ist im Sommer echt ein Nervenspiel, besonders bei der Weizenernte jetzt." Die Wintergerste ist schon fertig eingebracht, nun ist der Weizen dran. Mais und Rüben später seien wieder einfacher zu takten, so der 34-jährige Landwirt aus Gaimersheim.

Bergmeister - im Zweitberuf Koch - baut selbst Getreide an, ist aber auch als Lohndrescher unterwegs: Mit seinem Mähdrescher erntet er für Bauern, für die sich ein eigenes Fahrzeug nicht lohnt. Zu 90 Prozent hat er einen festen Kundenstamm. Sein Erntegebiet reicht weit über die Flurgrenzen Gaimersheims hinaus. "Ich versuche, nebeneinanderliegende Parzellen möglichst nacheinander zu dreschen, um mit der Riesenmaschine nicht unnötig durch die Gegend zu fahren - über Land fahre ich dann lieber sonntags mal mit dem Auto", sagt er augenzwinkernd.

Bergmeisters Mähdrescher ist ein New Holland CR 960, 6,30 Meter breit, acht Jahre alt. Das sei für so eine Maschine eher noch jung. Die Fahrzeuge brauchen viel Pflege, darum kümmern sich Bergmeister und seine Erntehelfer, wenn das Wetter mal wieder nicht so gut ist. "Aber die eigentliche Aufgabe im Sommer ist natürlich die Ernte."

Bergmeister misst, bevor er losfährt, den Wassergehalt des Getreides. Liegt der bei 14,5 Prozent oder darunter, kann er starten. Das ist, wenn es nicht regnet, meistens ab Mittag der Fall, manchmal auch später, je nachdem, wie viel Niederschlag es in den Tagen zuvor gegeben hat. Es ist enorm, wie schnell so ein Feld gemäht ist: Je nach Kultur und Bestand sind in einer Stunde zwischen 1,5 und 2,5 Hektar abgeerntet.

Es macht dem drahtigen, braun gebrannten Mann nichts aus, wenn er jetzt im Sommer oft erst spät abends nach Hause kommt - so sei das halt. Bis Mitte November ist er auf den Feldern unterwegs, bis die Maschinen gewaschen und eingewintert und die letzten Rechnungen geschrieben sind, ist es schnell Dezember. Dann kommt seine ruhigere Zeit. "Die wenige Freizeit, die ich habe, will ich gut gestalten", sagt er. Die neue Saison beginnt im nächsten Jahr Anfang/Mitte März mit der Aussaat.

An diesem Samstag mäht er für Josef Weidenhiller (71) und seinen Sohn Christoph (34) aus Gaimersheim. Die beiden betreiben ihre Landwirtschaft nebenberuflich; Weidenhiller senior war im Amt für Landwirtschaft und Forsten beschäftigt, der Junior arbeitet als Ingenieur bei Audi. Ihre Traktoren und Anhänger stehen am Feldrand, während Bergmeister erntet. Wenn der Körnertank im Fahrzeug voll ist, fährt er an den Rand und lädt zentnerweise Weizen in die Anhänger. "2016 als Erntejahr lässt keine Spitzenerträge erwarten", erklärt Weidenhiller senior. Das Frühjahr sei zu nass gewesen, da habe der Weizen keine langen Wurzeln ausbilden können. "Da tut dann jede Trockenperiode im Sommer weh." Zu viel Regen natürlich sowieso, aber auch das schwüle Wetter, weil dann alles viel schlechter trockne. Und wenn es immer weiterregnet? Irgendwann muss geerntet werden. Dann eben mit höherem Wassergehalt, so Weidenhiller. In diesem Fall müsse das Getreide allerdings noch mal extra getrocknet werden. Das ist ein Kostenpunkt mehr und schmälert den eh nicht großen Gewinn.

Plötzlich hoppelt ein Hase vor dem Mähdrescher durchs Feld. Das Tier wird sichtlich nervös, es steht nur noch ein schmaler Streifen Getreide, die Halme wackeln, wenn es unten durchschlüpft. In wenigen Minuten wird sein Versteck ganz weg sein, dann bleibt ihm nur noch die Flucht übers freie Feld. "Vorgestern hatte ich einen Dachs mit 15 bis 20 Kilo direkt vor mir", erzählt Bergmeister. Der sei durch sein Hupen aber weggelaufen. Das sei zum Beispiel bei Rehkitzen schwieriger, die blieben lange liegen, da müsse man sehr aufpassen. "Aber das ist einfach der Lauf der Dinge, dass den Feldtieren nach und nach die Deckung geraubt wird, seit zigtausend Jahren wird im Sommer geerntet." Für den Landwirt ist es ein großes Vorrecht, so nah dran an der Natur zu sein und mit den Jahreszeiten leben zu können.

Während er selbst auf dem Mähdrescher sitzt, ist Bergmeister über das Mobiltelefon mit seinen Erntehelfern verbunden. "Mach jetzt keine Versuche mit dem vollen Hänger", mahnt er mit Blick auf den kleinen Feldweg mit scharfer Kurve in der Ferne. Kurze Zeit später bekommt er, als er gerade mal am Feldrand steht, einen Beutel hoch in den Mähdrescher gereicht: Bei der Arbeit wird er von den Landwirten, für die er erntet, rührend mit Brotzeiten versorgt.

Auf die Frage, ob er seinen Kindern empfehlen würde, auch Landwirt zu werden, schweigt er zum ersten Mal. Nach kurzem Zögern sagt er nachdenklich: "Ich mag nicht jammern. Mir gefällt mein Job. Und Landwirtschaft hat und braucht Zukunft. Aber das Hin und Her mit den Preisen ist zermürbend. Dass ich für 100 Kilogramm Getreide ungefähr 13 Euro bekomme - wie soll das funktionieren" Aber dann lächelt Matthias Bergmeister und fügt mit Nachdruck hinzu: "Aber ich bin gerne Bauer. Da braucht's Gespür dafür. Landwirtschaft ist meine Berufung."