Eichstätt
"Landschaftspflege ist ökosystemrelevant"

Verbandsvertreter wollen den Naturschutz auch während der Pandemie in den Fokus rücken

10.06.2020 | Stand 02.12.2020, 11:12 Uhr
Die Landschaftspflege auch in Corona-Zeiten im Auge behalten wollen (von links) Uwe Sachser von der Unteren Naturschutzbehörde, Klaus Fackler, stellvertretender Landessprecher der bayerischen Landschaftspflegeverbände, Landtagsabgeordnete und politische Sprecherin der bayerischen LPVs und Vorsitzende des LPV Eichstätt, Tanja Schorer-Dremel, Landrat Alexander Anetsberger, Oberbürgermeister Josef Grienberger, Beate Krettinger, DVL-Landeskoordinatorin Bayern, Geschäftsführerin des LPV Eichstätt Christina Geith und Peter Riegg, Mitarbeiter des LPVs Eichstätt. −Foto: Steimle, Mittl (Archiv)

Eichstätt - Es gab keine Kurzarbeit und keine Betriebsschließung: Während der Corona-Krise haben die Mitarbeiter des Eichstätter Landschaftspflegeverbands (LPV) ihre Arbeit weiter vorantreiben können.

Dafür müssen aber die finanziellen Rahmenbedingungen geschaffen werden, wie Landtagsabgeordnete Tanja Schorer-Dremel, die zudem noch politische Sprecherin des bayerischen LPVs ist, bei einem Termin am Mittwoch mit LPV-Vertretern auf dem Doktorberg in Eichstätt forderte.

Diesen hatte man nicht zufällig als Treffpunkt ausgewählt, bietet er doch mit Magerrasen und Wachholderheide Lebensraum für viele Arten. Zwei davon sind sogar vom Aussterben bedroht, erklärte Christina Geith, Geschäftsführerin des LPV Eichstätt. Das sei zum einen die Berghexe, "eine Schmetterlingsart, die hier noch eins ihrer letzten Vorkommen hat. " Für sie trägt man in Eichstätt nicht nur bayernweit Verantwortung, "sondern für ganz Mitteleuropa". Zum anderen wächst vor Ort die Spinnenragwurz, auch sie steht auf der roten Liste. Mit Blick über das Figurenfeld und auf die gegenüberliegenden Felsen, die von der Berghexe bewohnt werden, machte Schorer-Dremel auf die Bedeutung der Maßnahmen vor Ort aufmerksam. "Wir haben eine idyllische Landschaft, aber nur, weil man sie über Jahrhunderte gepflegt hat. " Überlasse man den Ort allein der Natur, so habe man nicht so viele Arten hier. Denn die Berghexe kann mit dem Wald nichts anfangen, sie mag es sonnig mit einem hohen Anteil an Steinen und Geröll.

Doch der Arten- und mit ihm der Naturschutz sei angesichts der Pandemie in den Hintergrund gerückt, sagte Beate Krettinger, LPV-Landeskoordinatorin in Bayern. "Landschaftspflege ist ökosystemrelevant", betonte sie, auch mit Blick auf die großen Aufgaben, die sich aus dem Volksbegehren "Artenvielfalt und Naturschönheit in Bayern - Rettet die Bienen" 2019 und dem anschließend vom Landtag beschlossenen Begleitgesetz ergeben. So sollen etwa ökologisch hochwertige Gebiete besser vernetzt, Gewässerrandstreifen ausgewiesen und mehr Dauergrünland erhalten werden. In der Pandemie liege darum eine Chance, fügte Klaus Fackler, stellvertretender Landessprecher der bayerischen LPV, hinzu. "Die Menschen nutzen ihre eigene Kulturlandschaft wieder mehr", Stichwort Naherholung. Dass sieht auch Oberbürgermeister Josef Grienberger so. Die heimische Umgebung "wird durch Corona massiv an Auftrieb gewinnen".

Darum, fügt Fackler hinzu, sei es an der Zeit, "einen Gang zuzulegen". Besonders wichtig sei, dass die staatliche Förderung verlässlich fließe. Denn der größte Teil gehe an die Landwirte und die bräuchten Planungssicherheit.

In den nächsten Jahren müsse man weiterhin die finanziellen Rahmenbedingungen schaffen, betonte Schorer-Dremel. 2020 habe man für das Vertragsnaturschutzprogramm (VNP) 64 Millionen Euro und für die Landschaftspflege- und Naturparkrichtlinie (LNPR) rund 35 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. An den unteren Naturschutzbehörden, so die Landtagsabgeordnete, sollen zusätzliche Biodiversitätsberater etabliert werden. Politik, Kommunen, Landschaftspflegeverbände, Landwirte arbeiten zusammen: "Das Miteinander bringt den Erfolg. "

Das bestätigen Christina Geith und Peter Riegg, die eng mit den Schäfern zusammenarbeiten. Denn dort, wo sich die Berghexe wohlfühlt, wächst nicht unbedingt viel Futter für die Schafe, es ist also ein Extraaufwand für die Schäfer, die Tiere hierherzuführen. Wünschenswert ist es zudem, wenn die Tiere mehrfach über die Fläche laufen. "Da nehmen meine Lämmer ja ab statt zu", war die Antwort eines Tierhalters, aus rein wirtschaftlicher Sicht hat er damit auch recht. "Das wird nicht vergütet", meint Riegg, und sei bei 30 Grad im Sommer sicher auch keine Freude. Umso wichtiger sei es, zum einen bei den Schäfern um Verständnis für die Extraarbeit zu werben - meist funktioniere das auch. "Jeder will seine Sache gut machen. " Gleichzeitig wollen die LPV-Mitarbeiter den Landwirten entgegenkommen, indem man die Wasserversorgung vor Ort verbessert, etwa mit einem weiteren Tränkewagen. Einer wurde in der Vergangenheit mit dem Naturschutzgroßprojekt "Altmühlleiten" finanziert.

Im Winter soll im unteren Teil des Doktorbergs zur Stadt hin die Wachholderheide ausgelichtet werden. Dies übernehmen Landwirte aus der näheren Umgebung, die vom LPV angefragt werden. Auch diese Maßnahme soll dem Schäfer die Arbeit auf dem Doktorberg erleichtern, wenn er die vielen Tiere grasen lässt. "Sonst hat er keinen Überblick über seine Herde", sagt Riegg, vor allem am unteren Rand stünden die Pflanzen sehr eng und hoch. Wie wichtig die vierbeinigen Landschaftspfleger sind, lässt sich auf Schritt und Tritt nicht nur bestaunen, sondern auch riechen. Die Kapuzinernelke strahlt in kräftigem Pink, der wilde Thymian versprüht seinen Duft, auch der Salbei gedeiht hier. Die Schafe halten ihnen den Platz frei, indem sie die Futtergräser abfressen.

Der Artenreichtum soll nicht zerstört werden, weshalb sich die Mitarbeiter gemeinsam mit Rangern und Gebietsbetreuern Gedanken um die Besucherlenkung machen. Auf Schildern an den Parkplätzen wird um Mithilfe beim Umweltschutz gebeten - damit die einmalige Landschaft erhalten bleibt.

EK