München
Landarzt verzweifelt gesucht

Weil bald viele Mediziner in den Ruhestand gehen, kommen enorme Probleme auf Bayern zu

10.10.2013 | Stand 02.12.2020, 23:34 Uhr

München (DK) Beim Europäischen Gesundheitskongress in München debattieren Experten derzeit über die Zukunft der medizinischen Versorgung, insbesondere auf dem Land. Dabei wird deutlich: Noch ist die Versorgung im Freistaat gut, doch es rollen enorme Probleme auf uns zu.

Der Hausarzt um die Ecke ist mehr als nur ein Mediziner. Er ist ein Kümmerer. Einer, der auch noch zum Hausbesuch kommt, den die Menschen kennen und dem sie vertrauen. Und doch hat seine Praxis oft keine Zukunft. Denn geht der Landarzt in den Ruhestand, findet er keinen Nachfolger. Ein Szenario, dass auch in Bayern bald die Regel werden könnte.

Im Moment scheint das Problem weit weg. Bayern sei auch in der medizinischen Versorgung spitze, betont Gabriele Hörl vom bayerischen Gesundheitsministerium. „Eine problematische Lücke im ländlichen Raum gibt es derzeit nicht.“ Aber es ist eine andere Zahl, die alarmiert. Jeder vierte Hausarzt in Bayern ist 60 Jahre oder älter. Gehen alle diese Ärzte in den kommenden Jahren in den Ruhestand, könnte sich die Situation dramatisch verschlechtern.

„Das ist eine Zeitbombe, aber Prognosen sind sehr schwer abzugeben“, so Hörl. Seit 2012 gebe es ein Förderprogramm, welches auch gut genutzt werde. Ein Kommunalbüro wurde installiert, es soll den Kommunen auf Wunsch detaillierte Analysen über den Ärztebedarf liefern und sie beraten. Im Moment gibt es in Bayern noch 24 700 niedergelassene Ärzte und Psychotherapeuten. Wie viele es in einigen Jahren sein werden, weiß keiner genau.

Aber auch ohne dass Hausärzte in den Ruhestand gehen, wird sich die Situation verschlechtern, befürchtet Neeltje van den Berg von der Uni Greifswald. Der Grund: Die demografische Entwicklung wirkt sich auf dem Land besonders stark aus. Ältere Menschen brauchen mehr medizinische Fürsorge – und damit eigentlich mehr Ärzte statt weniger oder gleich viele. Die Lösung könnten innovative Versorgungskonzepte sein.

Wie diese aussehen, zeigen Beispiele aus Nordrhein-Westfalen und der Schweiz. In der Nähe von Detmold haben sich einige Mediziner zu einem Ärztenetz zusammengeschlossen. Sie haben eine Genossenschaft gegründet, alle Ärzte praktizieren in ihrer eigenen Praxis an den verschiedenen Orten, zusammen aber haben sie eine gemeinsame Verwaltung, eine Notfallpraxis und eine Praxis für Physiotherapie. Das entlastet die Ärzte von Kosten und Wochenenddiensten und macht den Beruf des Landarztes wieder attraktiver.

Ein ähnliches Modell gibt es in der Schweiz. Als dort im kleinen Ort Ebnat-Kappel zwei Hausärzte ihre Praxen aufgaben, haben einige Bürger ebenfalls eine Genossenschaft gegründet. Diese stellt die Praxisräume zur Verfügung, finanziert die Geräte und bleibt Eigentümer der Praxis. Die Ärzte können sich dann die Räume mieten. „Das entlastet die Ärzte von den hohen Anfangs-Investitionen. Und sie sind nicht so fest gebunden, sondern können jederzeit wieder an einen anderen Ort wechseln“, sagt Emil Aerne, der Vorstand der Genossenschaft. Das Modell war ein Erfolg: Zwei Mediziner sind in den kleinen Ort gezogen und haben sich die Praxisräume gemietet.

Auch für Bayern könnten diese Modelle ein Vorbild sein, sagt Gabriele Hörl. Aber auch das Image der Landärzte müsse besser werden. „Wenn ich immer nur höre, wie viel Arbeit das ist und wie wenig man verdient, dann ist es kein Wunder, wenn niemand mehr den Job machen will.“ Da seien auch die Mediziner selbst gefragt, den Beruf des Landarztes positiver darzustellen.