Riedenburg
Lagerhaus im Miniaturformat

Modellbaugruppe präsentiert neu angefertigtes Modul Zeitzeuge Wilhelm Wöhrl zu Gast

26.06.2017 | Stand 02.12.2020, 17:53 Uhr

In Erinnerungen schwelgte Wilhelm Wöhrl (links) beim Besuch der Modellbaugruppe von Friedel Helmich (rechts), die das ehemalige Lagerhaus Wöhrl in Riedenburg nachgebaut hat. Sein Großvater habe es aufgebaut, erklärte der Zeitzeuge den interessierten Jugendlichen. - Fotos: Schmied

Riedenburg (DK) In filigraner Kleinstarbeit hat die neunköpfige Modellbaugruppe der Riedenburger Johann-Simon-Mayr-Realschule das ehemalige Lagerhaus Wöhrl nachgebaut. Wilhelm Wöhrl hat in seiner Jugend dort gearbeitet - und den Schülern nun davon erzählt.

Das Schaufeln war gefürchtet. Denn nichts juckt so sehr in der Nase, wie Weizenstaub. Von der juckenden Haut ganz zu schweigen. "Das Getreide wurde bei uns in quaderförmigen Boxen gelagert, der Ablauf war in der Mitte", erzählt Wilhelm Wöhrl. Während die Körner den Weg hindurch zunächst noch ohne Mühe fanden, solange die Box bis oben hin voll war, ging es immer langsamer, sobald die Menge sich verringerte - und der Rest in den Ecken vor sich hinharrte. Da waren dann die Arbeiter gefragt. Sie rückten mit Schaufeln an und beförderten die letzten Haufen durch den Ablauf - Staubschwaden inklusive. "Das war Sklavenarbeit. Schöner war es, Beifahrer im Lastwagen zu sein", lautet Wöhrls Fazit.

Früher sei es üblich gewesen, dass die Kinder daheim mithelfen, auf dem elterlichen Bauernhof zum Beispiel. Bei Wöhrl war es das Lagerhaus seines Großvaters, wie er bei seinem Besuch bei der Modellbaugruppe von Friedel Helmich und Christian Probst erläutert. Acht Buben und ein Mädchen aus der achten, neunten und zehnten Jahrgansstufe haben während des Schuljahres das Lagerhaus als weiteres Modul für ihre Modelleisenbahn gebaut und nun dem Zeitzeugen präsentiert. Dieser nimmt das Werk genau in Augenschein und verknüpft mit markanten Stellen seine Erinnerungen an jene Zeit in den 1950er- und 1960er-Jahren, in der das landwirtschaftliche Lagerhaus florierte. Im Jahr 1900 sei sein Großvater Hans Wöhrl von Vilsbiburg nach Riedenburg gekommen und habe dort ein Kolonialwarengeschäft und das Lagerhaus aufgebaut. Dort, wo die Schambach jetzt an Forsts Landhaus vorbeifließt, lieferten damals die Bauern im Herbst ihre Ernte ab oder holten im Frühjahr Saatgut und Kunstdünger. "Während des Ersten und Zweiten Weltkriegs wurde das Lagerhaus immer größer und genoss über die Grenzen des Landkreises Riedenburg hinaus einen guten Ruf", erklärt Wilhelm Wöhrl.

Über die Jahre kamen weitere Gebäude hinzu. "Ein Großteil der Ware wurde mit Lastwagen transportiert. Drei haben wir selber gehabt", beschreibt Wöhrl weiter. Als der Transport zunehmend über die Schiene abgewickelt wurde, habe sein Großvater den Bahnanschluss bauen lassen. Dieser Anschluss war nun das Vorbild für die Modellbaugruppe. "Wir haben uns an alten Fotografien orientiert", verweist Helmich auf den großen Fundus von Stadtarchivar Maximilian Halbritter. Vor dem Bahndamm ist dort eine Schafherde zu sehen. Auf der Straße rollen damals topmoderne Autos wie etwa ein VW-Käfer - und Pferdegespanne. "Ich kann mich noch an die Zeit erinnern, in der die Bauern ihre Ernte in Säcken auf Pferdefuhrwerken angeliefert haben", erzählt Wöhrl. Ziemlich umständlich sei das gewesen. Schließlich musste man das Getreide auf dem Hof erst in die Säcke füllen und im Lagerhaus wieder herausschütten.

Umständlich war es aber auch, die Ware mit dem Laster zu befördern. Die Umgehungsstraße gab es damals schließlich noch nicht. "Die Laster mussten als über die Mühlstraße Richtung Marktplatz fahren, einmal um das Alte Rathaus herum um dann genug Schwung zu haben, um die Burgstraße zu bewältigen", beschreibt Wöhrl. "Es war wichtig, dass man da ja nicht anhält", meint er mit einem Grinsen. Denn: Wer hielt, hatte verloren. Ob des Gewichts war es schier unmöglich, den Anstieg aus dem Stand zu überwinden. "Unser stärkster Laster hatte 120 PS. Mit dem konnte man im ersten Gang mit fünf Kilometern pro Stunde den Jachenhausener Berg hinauffahren. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen."