Kurzsichtiges Konzept

Zu "Die Spitze der Hochwasserwelle abschneiden" (SZ vom 28. November):

12.12.2018 | Stand 02.12.2020, 15:02 Uhr

Zu "Die Spitze der Hochwasserwelle abschneiden" (SZ vom 28. November):

Das Flutpolderkonzept ist ein Konzept, um die Hochwasserspitze zu nehmen. Dieses Konzept ist jedoch sehr kurzsichtig. In der Schrobenhausener Zeitung vom 5. Juni 2013 wurde ein Bild gezeigt, dass das Hochwasserrückhaltebecken in Steingriff zeigt. Dieses Becken ist fast leer. In der Ausgabe vom 3. Juni wurde unter der Überschrift "Stadt kämpft gegen Hochwasser" ein Bild gezeigt und erklärt, dass sich Leute beschweren, weil das Hochwasserbecken nicht voll gemacht worden ist. Das bedeutet, dass das Hochwasserbecken in der Nacht vom 2./3. Juni 2013 bis zum Nachmittag des 4. Juni 2013 entleert worden ist. Die Hochwasserwelle in Regensburg war am 4. Juni gegen 22 Uhr. Das Rückhaltebecken in Schrobenhausen wurde also zirka 36 bis 48 Stunden vor dem Scheitel in Regensburg entleert und hat mit hoher Wahrscheinlichkeit am maximalen Scheitel mitgewirkt. Das Hochwasserrückhaltebecken Putzmühle oberhalb von Dasing wurde nur zu etwa 20 bis 25 Prozent gefüllt.

Während der ersten Hochwasserwelle an der Paar am 1. Juni 2013 im Raum Dasing wurde das Becken praktisch nicht aufgefüllt. Am Montag, 3. Juni 2013, um 12 Uhr wurde der Pegel nicht mehr weiter aufgefüllt (rund 36 Stunden vor dem Maximum in Regensburg und 24 Stunden vor dem Dammbruch in Deggendorf). Der Walchensee hatte am 3. Juni 2013 einen Seepegel von 800 Meter und wurde dann noch bis 800,30 Meter am 5. Juni 2013 um 6 Uhr aufgefüllt. Im Jahr 2013 war der maximale Seepegel im Normalbetrieb später im Jahr bei 801,08 m. Das bedeutet, der Walchensee hätte im relevanten Zeitraum durchaus einen Meter mehr Wasser aufnehmen können. Der Walchensee wurde im Zeitraum vor dem Regenereignis nicht abgesenkt. Dies hätte zu zusätzlichem Speichervolumen von bis zu einem Meter führen können.

Der Sylvensteinspeicher wurde 2. Juni 2013 um zirka 23 Uhr sehr stark geöffnet, so dass diese Hochwasserwelle mit hoher Wahrscheinlichkeit mit dem Dammbruch in Deggendorf zusammentrifft. Diese Schleusenöffnung wurde durchgeführt, obwohl der Zulauf zum Sylvensteinspeicher schon geringer war als die Wassermenge, die abgelassen wurde. Diese Beispiele zeigen, dass die Steuerung der vorhandenen Hochwasserrückhalteräume zum Teil völlig unkoordiniert stattfinden. Kleine lokale Hochwasserbecken werden unkontrolliert gefahren und verstärken die Hochwasserwelle in den großen Flüssen. Viele Hochwasserbecken bleiben ungenutzt. Es gibt keine übergeordnete Stelle, die sowohl die Wettervorhersage als auch die Auswirkungen des eigenen Handelns auf das Gesamtsystem berücksichtigt. Wird das Gerede von der Klimaerwärmung von längeren Trockenperioden und starken Regenperioden nur etwas ernst genommen, braucht man keine Flutpolder, die nur kurz speichern können, sondern Wasserspeicher, die das Wasser über Monate speichern und abgeben können.

Jürgen Stichling
Niederarnbach