Kurzsichtig

Kommentar

25.07.2016 | Stand 02.12.2020, 19:30 Uhr

Noch nie waren die Rentenbezugszeiten der Deutschen länger als jetzt. Das ist eine erfreuliche Entwicklung, denn sie ist zurückzuführen auf die gestiegene Lebenserwartung. Männer werden heute im Schnitt 80, Frauen fast 85 Jahre alt - entsprechend lange haben sie Anspruch auf die gesetzliche Rente.

Die neuen Zahlen zur Bezugsdauer rütteln aber auch auf. Sie zeigen Reformbedarf. Die Rentenkasse, die zurzeit noch über satte Rücklagen verfügt, könnte in eine gefährliche Schieflage geraten, sollte sich die Entwicklung fortsetzen wie bisher. Leider reagiert die Politik darauf mit der immer gleichen Forderung nach einer Erhöhung der Altersgrenze. Das aber ist kurzsichtig gedacht.

Die Idee, die Rente an die Lebenserwartung zu koppeln, sorgt für riesige Verunsicherung bei den Beitragszahlern von heute, den Rentnern von morgen und übermorgen. Schließlich ist die Einführung der Rente mit 67 noch nicht einmal abgeschlossen und wird sich noch bis zum Jahr 2030 hinziehen. Die nächste Reform anzugehen, während die vorherige noch nicht einmal umgesetzt ist, zeugt nicht gerade von Besonnenheit. Erst einmal sollte zur Kenntnis genommen werden, dass Deutschlands Arbeitnehmer im Schnitt mit rund 64 Jahren in den Ruhestand gehen, deutlich später als noch vor kurzer Zeit.

Bis zur Rente mit 67 ist es allerdings noch ein weiter Weg - was nicht nur mit individuellen Interessen zu tun hat, sondern auch mit der Arbeitswelt. Sollte sie sich nicht grundlegend verändern und Beschäftigten das Arbeiten im Alter besser ermöglichen, wäre eine weitere Erhöhung der Regelaltersgrenze nichts anderes als eine verkappte Rentenkürzung für Millionen. Besser wäre es, mit gezielten Veränderungen und Anreizen zu unterstützen - sei es mit Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente oder mit einer "Belohnung" für private oder betriebliche Vorsorge.