Ingolstadt
Kurzarbeit: Das müssen Arbeitnehmer jetzt wissen

18.03.2020 | Stand 02.12.2020, 11:43 Uhr
Um Deutschlands Beschäftigte vor Arbeitslosigkeit zu schützen, hatte der Bundestag zuletzt einen Gesetzentwurf für ein erleichtertes Kurzarbeitergeld beschlossen. −Foto: Monika Skolimowska/zb/dpa

Ingolstadt - Event-Veranstalter, Reiseanbieter, kulturelle Einrichtungen: Das neue Coronavirus hat harte Auswirkungen auf die Wirtschaft. Viele Betriebe melden Kurzarbeit an. Was müssen Arbeitnehmer dazu wissen?

Wer kann Kurzarbeit beantragen?

Kurzarbeit beantragt der Arbeitgeber. Der Bundestag hat dazu kurzfristig ein neues Gesetz auf den Weg gebracht. Rückwirkend zum 1. März können Betriebe Kurzarbeitergeld nun bereits nutzen, wenn nur zehn Prozent der Beschäftigten vom Arbeitsausfall betroffen sind. Bislang musste das ein Drittel der Arbeitnehmer sein.

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Was bedeutet das für mein Gehalt?

Arbeitnehmer erhalten 60 Prozent ihres Nettolohns für die ausfallende Arbeitszeit, wenn sie Kurzarbeit machen müssen, erklärt Johannes Schipp, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Gütersloh. Wer also beispielsweise statt wie üblicherweise fünf Tage nur noch vier Tage pro Woche arbeiten würde, bekäme 80 Prozent des Lohns weiter vom Arbeitgeber. Für die übrigen 20 Prozent erhalten Beschäftigte die Kompensationszahlung von der Arbeitsagentur.

Bekommen Arbeitnehmer mit Kindern mehr?

«Bei Arbeitnehmern mit Kindern sind es 67 Prozent», erläutert Schipp. Allerdings sind diese Prozentzahlen dem Fachanwalt zufolge auf die Beitragsbemessungsgrundlage in der Arbeitslosenversicherung begrenzt. Das sei aber für «Normalverdiener» eher ohne Bedeutung. Im Extremfall kann die Arbeitszeit auf Null reduziert werden.

Kann der Arbeitgeber mich zwingen, erstmal Urlaub abzubauen?

Die Voraussetzungen für Kurzarbeitergeld sind im Sozialgesetzbuch III genau geregelt. Kurzarbeit kann der Arbeitgeber demnach anmelden, wenn der Arbeitsausfall unvermeidbar ist und der Betrieb alles getan hat, um ihn zu vermindern oder zu beheben. «Das bedeutet, dass zunächst auch Zeitguthaben, Überstunden oder Ähnliches "abgefeiert" werden müssen», erklärt Schipp. Zudem sei es möglich, Urlaub anzuordnen, soweit die betreffenden Urlaubstage nicht schon genehmigt sind. Urlaub, der schon genehmigt ist, könne vom Arbeitgeber nicht ohne weiteres wieder gestrichen werden.

Zur Frage, in welchem Rahmen Urlaub angeordnet werden kann, gibt es laut Schipp keine eindeutigen Regeln. Seiner Einschätzung nach kann es aber in einer Pandemie-Situation durchaus möglich sein, dass Arbeitnehmer die Hälfte oder zwei Drittel ihres Urlaubsanspruchs erst einmal einsetzen müssen. Dringende betriebliche Gründe stehen dann den Urlaubswünschen der Arbeitnehmer entgegen.

Kann mein Arbeitgeber auswählen, wen er in Kurzarbeit oder Zwangsurlaub schickt?

«Bei der Auswahl der Arbeitnehmer wird es entscheidend darauf ankommen, in welchen Bereichen der Arbeitsausfall eintritt», so der Fachanwalt. Wenn dann noch eine Auswahlmöglichkeit für den Arbeitgeber verbleibt, wird die Auswahl nach billigem Ermessen erfolgen müssen. Der Arbeitgeber kann also nicht willkürlich verfahren.

In Betrieben mit Betriebsräten unterliegen die Einführung der Kurzarbeit und die Regelung der Einzelheiten zudem der Mitbestimmung des Betriebsrats. Hier kann der Arbeitgeber also nicht einseitig die Dinge festlegen.

Wie lange erhalten Arbeitnehmer Kurzarbeitergeld?

Die Arbeitsagentur zahlt Kurzarbeitergeld längstenfalls für zwölf Monate. «Bei einer angespannten Lage auf dem Arbeitsmarkt kann die maximale Dauer auf bis zu 24 Monate ausgedehnt werden», sagt Susanne Eikemeier von der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg.

Kann ein Arbeitnehmer sich in Kurzarbeit einen Nebenjob suchen?

Wer will, kann sich bei Kurzarbeit einen Nebenjob suchen. Hierbei gilt: Zusatzverdienste erhöhen das bei der Berechnung des Kurzarbeitergeldes zugrunde zu legende Istentgelt. «Die Differenz zum Sollentgelt sinkt und damit auch die Höhe des Kurzarbeitergeldes», so Schipp. Kurzarbeitergeld ist steuerfrei. Es unterliegt jedoch dem Progressionsvorbehalt, was heißt: Trotz Steuerfreiheit kann es den eigenen Steuersatz erhöhen.

Auf das Kurzarbeitergeld fallen Sozialabgaben an. Grundlage hierfür ist ein fiktives Entgelt, das regulär bei 80 Prozent des üblichen Bruttoverdienstes liegt. Für die Beiträge, die für das Kurzarbeitergeld zu entrichten sind, kommt der Arbeitgeber auf. Der Beschäftigte zahlt Sozialabgaben für den Teil seines Einkommens, für den er gearbeitet hat.

Wie wirkt sich Kurzarbeit bei Krankheit oder Kündigung aus?

«Zunächst muss geschaut werden, wann der Krankheitsfall eingetreten ist und ob der Arbeitnehmer bereits Krankengeld bekommt», erklärt Eikemeier. Ist dies der Fall, hat er keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld.

Auch auf Kündigungsfristen wirkt sich Kurzarbeit gegebenenfalls aus: «In manchen Tarifverträgen sind kürzere Kündigungsfristen geregelt, damit Kurzarbeiter den Betrieb schneller verlassen können, falls sie das wünschen», so Menssen.