Ingolstadt
Kunst zu Reis mit Sauce

Die Goldschmiedin Doris Grimm hat sich der silbernen Tischkultur verschrieben Ausstellung in Ingolstadt ab Samstag

07.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:32 Uhr

Foto: DK

Ingolstadt (DK) Ein schlankes Stäbchen, an beiden Enden angespitzt, das Ganze aus dünnem weichem Holz: Für Doris Grimm ist der stinknormale Zahnstocher "perfektes Design!" Denn: "Er schaut gut aus und ist absolut funktional. Er ist nicht verbesserbar", sagt sie. Aber unter dem Zugriff der ausgebildeten Goldschmiedin und akademischen Künstlerin sehr wohl wandelbar vom banalen Gebrauchsgegenstand zu einem Stück feinster Tischkultur. In ihrem Atelier im Ingolstädter Süden demonstriert es die 51-Jährige, wieder einmal: Wie das Hölzchen, gesteckt in einen langen schlanken Aufsatz aus handgeschmiedetem reinen Silber, so filigran wie kostbar, zum edlen Olivenspießchen wird. "Den benutze ich ganz oft", sagt Grimm.

So, mit dem Zahnstocher als eine der ersten Entwicklungen, hat sie vor rund sieben Jahren angefangen: Grimms künstlerische Beschäftigung mit Tischkultur und Tischgerät. Es folgten: Silberblüten, die sich in Speisen stecken oder in Suppen stellen lassen. Winzige Salzlöffel, die dem längst vom Luxusgut zur Alltagswürze gewordenen Mineral wieder die einstige Besonderheit zurückgeben. Ein Doppellöffel - ein kleiner und ein großer Kreis dicht aneinander -, multifunktional einsetzbar. Das erste vierteilige Vorlegebesteck. Und nun das Meisterstück: Auf Doris Grimms Ateliertisch lagert, schimmernd auf grauem Papier, der eben fertig gewordene Prototyp eines kompletten Essbestecks, den sie ab Samstag mit ihren anderen Arbeiten zur Tischkultur in der Ingolstädter Galerie Moritz präsentieren wird. Als Gebrauchsgegenstand. Als Kunst.

Denn weit weg von geschmiedeter Simplizität sind Doris Grimms Arbeiten. Ihr Weg vom Schmuck - die Absolventin der Goldschmiedekunst-Klasse an der Münchner Akademie bei Otto Künzli machte sich hierzulande einen Namen etwa mit ihren feinen, ironischen, materialhaft austarierten Ringen - über den Tisch-Schmuck bis nun zum Besteck ist ein konsequent künstlerischer. Traditionen werden auch hier hinterfragt und aufgebrochen, Formen aufgegriffen und weiterentwickelt, bis eine flirrende Balance aus Alltagsfunktionalität und Objekt, aus Gold- und Silberschmiede, entstanden ist. Auch darin unterscheidet sich Grimm von den Manufakturen, die zwar momentan das einstige Tafelsilber wieder entdecken, aber oft genug keine neue Anmutung dafür. Oder wo hätte man sonst schon so eine Gabel gesehen: mit leicht auseinander laufendem Doppelgriff, inspiriert von der Eleganz chinesischer Essstäbchen, der oben in zwei kurzen Gabelzinken endet, worunter freilich ein zierliches LöffelOval, die sogenannte Laffe, liegt. "Mein Privatinteresse daran war Reis mit Sauce", sagt Grimm und lacht.

Aus dem Privaten heraus ("Ich esse gern") entstand auch ihre Hinwendung zu Tischkultur und -gerät. Und natürlich aus ihrem künstlerischen Blick, dem Alltagsformen auffallen als Besonderheit: besagte Essstäbchen, die ihr Auge bannten, die Zahnstocher in ihrem unverbesserbaren Design. Momentan steht auf dem Arbeitstisch, gleich neben dem neuen Silberbesteck, ein Tellerchen mit seltsamen Haarbüscheln darauf: Artischockenheu, das, wie Künstlerin nach dem Verzehr des Gemüses feststellte, sich in Form biegen lässt und dann so bleibt. Was damit geschehen soll? "Weiß ich noch nicht", sagt Doris Grimm, aber über einen Einsatz an einem neuen Besteck grübelt sie bereits nach.

Vermutlich wird es eine Zeitlang dauern, bis das fertig ist. Ein ganzes Jahr hat die Goldschmiedin an ihrem aktuellen Prototyp gearbeitet - intellektuell, zeichnerisch und handwerklich. Hat an Skizzen und Zeichnungen ihre Ideen weiterentwickelt, Modelle in Modellierpaste und später Kupfer geschaffen und schließlich - Endspurt - das 1,5 Millimeter starke Sterlingsilber an der Punze in die perfekte Form geschmiedet, Glattschliff inklusive. Die Messerklingen stammen übrigens vom Messerschmied. Auch einen solchen gibt es in Ingolstadt - wie nun auch eine der wenigen Besteck-Macherinnen in Deutschland.

Die Ausstellung mit Arbeiten von Doris Grimm wird am 11. März, 11 Uhr, in der Galerie Moritz, Moritzstraße 2, eröffnet und läuft bis 8. April.