München
Kunst-Initiative will gegen Ungleichbehandlung klagen

12.03.2021 | Stand 20.03.2021, 3:33 Uhr
Eine Statue der Justitia hält eine Waage in ihrer Hand. −Foto: picture alliance / Peter Steffen/dpa/Symbolbild

Gottesdienste erlaubt, Konzerte verboten - die ungleiche Behandlung in der Corona-Pandemie stößt der Kulturbranche sauer auf. Denn die Verfassung schützt auch die Kultur. Nun soll die Justiz eine grundsätzliche Klärung bringen.

Welchen Stellenwert hat die Kultur? Das wollen Künstlerinnen und Künstler angesichts der zahlreichen Beschränkungen in der Corona-Pandemie nun verfassungsrechtlich klären lassen. Die Initiative „Aufstehen für die Kunst“ sieht die von der Verfassung garantierte Freiheit der Kunst unrechtmäßig eingeschränkt, wie Opernsänger Wolfgang Ablinger-Sperrhacke der Deutschen Presse-Agentur sagte. Auch die SPD-Landtagsfraktion kritisierte die Kulturpolitik im Freistaat am Freitag heftig. Derweil geht Bayerns Blaskapellen nach Ansicht des Allgäu-Schwäbischen Musikbundes (ASM) in der Corona-Krise langsam die Luft aus.

Angesichts einer Vielzahl von Beschränkungen für den gesamten Kulturbereich will die Initiative Mitte nächster Woche eine Popularklage beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof einreichen und damit grundsätzliche Klarheit schaffen. „Vor allem im Verhältnis zu Religion und Industrie sehen wir eine verfassungsmäßige Schieflage“, sagte Ablinger-Sperrhacke. Die Initiative wird unter anderem von Stargeigerin Anne-Sophie Mutter, Dirigent Kent Nagano, Opernsänger Rolando Villazón, Schauspielerin Senta Berger sowie Liedermacher Konstantin Wecker unterstützt.

„Die geplanten allgemeinen Öffnungsschritte zeigen zwar Perspektiven für die Theater auf, sind aus unserer Sicht aber immer noch verfassungswidrig, weil sie inzidenzabhängig sind und mit zahlreichen Auflagen versehen sind, die anderen Bereichen so nicht zugemutet werden“, argumentierte Ablinger-Sperrhacke. „Die Religion hat das nicht in diesem Maße aushalten müssen - und wir sind vom Grundgesetz her auf dem gleichen Niveau.“

Das bayerische Kabinett hatte zuvor beschlossen, dass ab dem 22. März Theater, Konzert- und Opernhäuser wieder öffnen können, wenn die 7-Tage-Inzidenz seit mindestens 14 Tagen unter 100 liegt und die Entwicklung stabil oder rückläufig ist. Bayerns Kunstminister Bernd Sibler (CSU) kündigte wenig später an, bei der Öffnung „weg von starren Zuschauerzahlen“ gehen zu wollen. Stattdessen sollten die örtlichen Gegebenheiten entscheidend sein, teilte er mit. Details würden noch erarbeitet.

Die SPD-Landtagsfraktion ging derweil hart mit Sibler ins Gericht. „Er ist mittlerweile der Staatsminister für Versäumnisse, Verzögerungen und Untätigkeit“, kritisierten Kultursprecher Volkmar Halbleib und Hochschulsprecher Christian Flisek am Freitag in München. Sibler habe die unter Existenzangst leidenden Kulturschaffenden hängengelassen. Die „dramatisch schlechte Bilanz“ werde auch nicht durch die in dieser Woche endlich verkündete Verlängerung des Soloselbstständigenprogramms verbessert.

Nicht nur Profis, auch die Laien leiden unter den Pandemie-Vorgaben. Die Kapellen, die im Allgäu-Schwäbischen Musikbund (ASM) organisiert sind, hätten schon zwei Prozent ihrer Mitglieder verloren, sagte Präsident Franz Pschierer der „Augsburger Allgemeinen“. Das klinge nicht allzu dramatisch, doch seien weitere Austritte zu erwarten. Außerdem sei die Quote der Abgänge vor allem bei den Minderjährigen besonders hoch, weil die Kinder die Lust am Spielen verlören.

Auch bei den Erwachsenen liege die Moral vielerorts am Boden. „Die fehlende Perspektive und fehlenden Ziele machen es insbesondere den Vereinsleitungen und Dirigenten zunehmend schwer, sich selbst zu motivieren“, sagte Pschierer. Laienmusik komme bei den geplanten Öffnungsschritten der Staatsregierung noch nicht einmal vor. Seinen Angaben zufolge spielen bayernweit 120 000 Menschen in Blaskapellen.

© dpa-infocom, dpa:210312-99-788924/3

Aufstehen für die Kunst

dpa