Dürnzhausen
Kummer in Dürnzhausen?

Auf den Spuren der Heiligen, die der kleinen Kapelle ihren Namen gibt

15.05.2020 | Stand 02.12.2020, 11:21 Uhr
Die Kuratie Dürnzhausen in der Hallertau ist dem heiligen Georg gewidmet. Die Kummernus-Kapelle steht im Schatten des Kirchturms mit dem Stufengiebel. Das Vorgängergebäude (unten links) wurde in den 90ern abgerissen, seit 1999 strahlt sie in neuem Glanz (rechts). −Foto: Lex,Burgkmair

Dürnzhausen - In Zeiten wie diesen, in denen das Corona-Virus wütet, erinnert man sich vielleicht eher an religiöse Bräuche, wie sie vor etlichen Jahrhunderten vielen Menschen Halt und Hilfe gaben.

Da galten die Heiligen - etwa die 14 Nothelfer - noch etwas. Da wurden sogar "Heilige" angerufen, die wohl nie selig- oder gar heiliggesprochen wurden. Zu diesen gehört die heilige Wilgefortis oder (niederländisch) Ontkommer. In Bayern und Tirol bekam sie den Namen Kümmernis. In Dürnzhausen steht eine Kapelle, die dieser wundersamen Heiligen gewidmet ist. Das kleine Kirchlein ist der Nachfolger eines alten Baus mit einem leider verschwundenen Altarbild aus dem 18. Jahrhundert. Die heutige Kummernus-Kapelle wurde 1999 neu gesegnet.

Kapellen, die der heiligen Kümmernis, oder - wie in Dürnzhausen - der heiligen Kummernus gewidmet sind, sind gar nicht so selten. In Neufahrn bei Freising steht eine Wallfahrtskirche mit ihrem Namen und im Allgäuer Weiler Obergammenried bei Bad Wörishofen gibt es eine Kapelle, in der die Heilige verehrt wird. Trotzdem: Wenn man von einer heiligen Kümmernis oder Kummernus spricht, dann erntet man verständnislose Blicke. Heilige Wilgefortis, heilige Ontkommer? Dabei ist die "Heilige" sogar relativ berühmt. Es gibt zahlreiche wissenschaftliche Abhandlungen über das Kümmernis-Phänomen. Die Gebrüder Grimm haben den Stoff 1815 auch zu einem Märchen verarbeitet. Sein Titel ist: "Die heilige Frau Kummernis". Raimund Lex hat versucht zu ergründen, was es mit der heiligen Kummernus auf sich hat.

Wann die historische Kummernus-Kapelle nach Dürnzhausen kam, ist leider nicht (mehr) belegt. Aber "ein vor Jahren aus ihr verschwundenes Bild der heiligen Kummernus oder Wilgefortis wird auf das Jahr 1734 datiert", berichtete Johann Assenbrunner, der in Dürnzhausen Lehrer und Chronist war, im Jahr 1999 in seiner Festrede anlässlich der Einweihung des Kapellen-Neubaus. Irgendwann müssen die Be-wohner des kleinen Dorfes das Bedürfnis gehabt haben, der Kummernus eine Kapelle zu bauen. Wenn der 1998 abgerissene desolate Bau noch das Original war, dann war in grauer Vorzeit ein sehr kleiner Bau errichtet worden. Der Chronist berichtete nämlich: "Sie (die Kapelle) war sehr klein und so niedrig, dass man nur in stark gebückter Haltung hineingehen konnte. Ich hatte immer den Eindruck, sie wäre nur für Kinder gebaut. " Das Wie und Warum des ursprünglichen Kapellenbaus also liegt im Dunkel der Historie. Oft wurden solche Kapellen aufgrund von Gelübden errichtet. Jedenfalls: Sie verfiel zusehends.

Als dann auch noch die Straße nach Preinerszell geteert und damit höher gelegt wurde, stand das Kapellchen an der Teorunistraße zusätzlich noch in einer Mulde. Diese lief bei stärkerem Regen voll, der Bau bekam immer wieder "nasse Füße", verschlammte, wie Zeitzeugen berichten. Aber die Dürnzhauser wollten in den 90er Jahren wieder eine ordentliche Kummernus-Kapelle.

Verschiedene Stellen seien für den Neubau in Betracht gezogen worden, wird erzählt. Schließlich habe man sich aber doch auf den Platz geeinigt, auf dem schon die Kapellenruine stand - das Projekt kam ins Rollen. Der Chronist berichtet: "Frömmigkeit und Fröhlichkeit sind keine Gegensätze. Sie sollten es nirgends sein. Dass sie es hier bei uns in Bayern und speziell in der Holledau nicht sind, beweist auch die folgende Begebenheit: An einem späten Abend (oder soll ich besser sagen am frühen Morgen) im Winter 1997/98 saßen der Schmeller Alois, der Fuchs Gerhard und der Kattner Manfred im ,Hühnerstall' beieinander. " Dieser "Hühnerstell" sei "eine Herberge für muntere, feuchtfröhliche Zecher und Spätheimkehrer", dort fassten die Drei demnach den Entschluss, eben eine neue Kapelle zu bauen. "Fred versprach spontan, sowohl für die Hebauf-Feier als auch für die Einweihung je ein Schwein zu spendieren, und Alois wollte ebenso spontan den nötigen Baugrund dafür hergeben. Die alte Kapelle hatte nämlich zwar eine eigene Flurnummer, aber das Grundstück war nur 34 Quadratmeter groß, viel zu wenig für das geplante Vorhaben. "

Aber der "Altbau" war denkmalgeschützt. Und so einfach, wie Kapellenbesitzer Anton Denk und Gerhard Fuchs sich den Bau einer neuen Kapelle vorgestellt hatten, ging es nicht. Am 8. August 1998 gab es dann jedoch Grünes Licht, die Dürznhauser konnten loslegen.

Die neue Kummernus-Kapelle wurde bei etwa gleicher Form, aber in 1,3-facher Größe projektiert und Pfarrer Stadler, damals zuständig für Dürnzhausen (St. Georg), versprach für die Kapelle eine Glocke zu stiften. Bei jeder Gelegenheit, sogar an Sonntagen, wurde am Neubau gewerkelt, berichtet der Chronist. "Dass es Winter (1998/99) war, das bekamen die eifrigen Arbeiter kräftig zu spüren. Es war fast immer - mit Verlaub gesagt - saukalt, dazu nass und windig. Weil es immer so kalt war, musste der Bau sogar tagelang beheizt werden, damit der frische Putz nicht gleich wieder abfiel. Die Bauarbeiter wärmten sich dagegen eher von innen heraus. Des Öfteren kreiste eine Flasche Hochprozentiges. "

In Dürnzhausen zeigte sich ein großer Zusammenhalt in der Dorfgemeinschaft, viele spendeten Geld, andere stellten kostenlos Material zur Verfügung und bearbeiteten es auch noch unentgeltlich, man half mit weit über 800 Arbeitsstunden am Bau. Durch so viel Gemeinsinn und Glaube sei die Kapelle bei ihrer Einweihung praktisch bezahlt gewesen, freute sich Assenbrunner beim Festakt 1999. Sogar Ortsfremde hatten geholfen.

Das Bild der heiligen Kummernus wurde "nach alter Vorlage", wie zu erfahren war, neu gestaltet. "Diese (Vorlage) hatte übrigens die Frau vom Denk Schorsch, dem Bruder des Bauherrn, aufgetrieben. " Gemalt wurde das Bild von Heinz Drotleff aus Wolnzach, einem regional bekannten Kunst- und Schildermaler, der inzwischen verstorben ist. Das Bild zeigt eine hübsche junge Frau mit langem Haar, goldener Königskrone und einem Heiligenschein.

Und noch etwas: In das Fundament der neuen Kapelle wurde ein Teil der Steine eingearbeitet, die 1994 aus der Kuratiekriche St. Georg entfernt worden waren, als das Gotteshaus, das auf das Jahr 1315 zurückgeht, restauriert und mit einem Volksaltar ausgestattet wurde. Ein anderer Teil fand Verwendung für den Altar der Kapelle. Man wollte die geweihten Steine nicht einfach profanen Verwendungen zuführen. "Nicht verschwiegen werden darf auch", weiß der Chronist, "dass sich unser Kirchenpfleger Hans Kappelmeier, der einer der eifrigsten Mitarbeiter am Bau war, im Übereifer beinahe selbst mit einbetoniert hätte. Beim Betonieren des Fundamentes rutschte er nämlich aus und stürzte kopfüber in die Fundamentgrube. Sein ganzer Oberkörper steckte im Beton, so dass er von den anderen nur mit Mühe wieder aus dem dicken Brei gezogen werden konnte. "

PK