Weißenburg/Hilpoltstein
Kultusministerium deeskaliert

Nach Schulstreik an der Weißenburger FOS/BOS wird Sonderregelung bekannt - Ausschluss vom Abitur leere Drohung

10.02.2021 | Stand 14.02.2021, 3:33 Uhr
Sie hätten Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus, machen Schüler der FOS/BOS Weißenburg geltend und verweigern den Präsenzunterricht. Die Andeutung des Schulleiters, streikende Schüler vom Abitur auszuschließen, läuft laut dem bayerischen Kultusministerium ins Leere, es hatte schon vorab eine Sonderregelung getroffen. −Foto: FOS/BOS, SMV

Weißenburg/Hilpoltstein - Unentschuldigtes Fernbleiben vom Unterricht werde als Fehltag gewertet. Das hat Klaus Drotziger, der Leiter der FOS/BOS in Weißenburg, unserer Zeitung am Montag gesagt. Als Reaktion für den dortigen Schulstreik brachte er ins Spiel, dass die Zulassung zur Abiturprüfung gefährdet sein könne, denn ab fünf Fehltagen drohe der Ausschluss.

 

Viele der Abschlussschüler waren nicht zum Unterricht erschienen, obwohl die Hälfte der rund 300 Schüler dieser Klassen genau das hätte tun sollen. Sie machten zwei Gründe für ihre Weigerung geltend: zum einen das Gesundheitsrisiko in der Schule wegen der Ansteckungsgefahr, zum anderen den verordneten Wechselunterricht: Der sei weitaus schlechter als Distanzunterricht für alle.

"Ich habe ein gewisses Verständnis für den Unmut der Schüler", sagte Drotziger auch, das Verhältnis zwischen Schülern und Schulleitung werde der Streik sicherlich nicht sonderlich trüben. Genau diese Einschätzung könnte sich aber als falsch erweisen. Denn wie sich mittlerweile herausgestellt hat, ist Drotziger mit der Drohung, das Abitur sei in Gefahr, ziemlich selbstständig vorgeprescht. Das bayerische Kultusministerium dagegen versuchte und versucht, derartige Situationen zu deeskalieren. Dafür hat man einen neuen Anlass für entschuldigtes Fehlen geschaffen.

Im Zuge des Weißenburger Schulstreiks bestätigte das Kultusministerium die neue Regelung auf Anfrage. Schüler können auch wegen einer "aufgrund der Pandemie individuell empfundenen Gefährdungslage" einen Antrag auf Beurlaubung von Präsenzphasen stellen, teilte ein Sprecher des Kultusministeriums mit. Das heißt: Im Grunde darf jeder einzelne Schüler selbst entscheiden, wie er die Lage einschätzt und ob er in der augenblicklichen Situation persönlich Präsenzunterricht für angemessen hält. Einen Antrag auf Befreiung wird man schwer ablehnen können. Wie will man jemandem absprechen, wie er sich "individuell fühlt"?

Allerdings ist die Möglichkeit einer solchen individuellen Entschuldigung bereits am Donnerstag vergangener Woche per ministeriellem Schreiben den Schulen mitgeteilt worden. Auch streikenden Schülern in Nürnberg soll sie eingeräumt worden sein. Die Entscheidung über die Anträge müssten die Schulleiter vor Ort treffen, hieß es vom Kultusministerium.

Für die Schüler der Abschlussklassen der FOS/BOS, die am Montag in großen Teilen den Präsenzunterricht verweigert und sich ins Homeschooling zurückgezogen hatten, bedeutet das eine große Erleichterung. Die neue Regelung nimmt Druck aus dem Kessel - und hat es eigentlich auch schon vor dem Schulstreik in Weißenburg getan.

Aus Schülerkreisen war allerdings zu hören, dass man mit dem Kompromiss sehr zufrieden ist. Die SMV hatte zum Streik aufgerufen, weil man zum einen Bedenken hat, mit dem Präsenzunterricht die eigene Gesundheit und die der Familienmitglieder zu Hause zu gefährden. Es sei nicht nachzuvollziehen, warum in ganz Bayern strenge Kontakteinschränkungen gelten, man sich in der Schule aber treffen müsse, so die SMV.

Zum anderen kritisierte man auch den in Bayern derzeit gültigen Wechselunterricht in den Abschlussklassen. Dabei wird auch an der FOS/BOS in Weißenburg eine Hälfte der Klasse vor Ort unterrichtet, während die andere Hälfte der Klasse zu Hause vor einen Livestream des Unterrichts sitzt. Möglichkeiten, am Unterricht aktiv teilzunehmen, gibt es für den Teil der Klasse im Homeschooling nicht. Die Schüler empfanden das als Verschlechterung gegenüber dem bisherigen reinen Online-Unterricht, der in virtuellen Klassenzimmern abgehalten wurde und an dem alle aktiv teilnehmen konnten.

Unklar ist einstweilen, wie viele der rund 280 Abschlussschüler der FOSBOS die neue Möglichkeit zur Befreiung von der Präsenz nun nutzen werden. Die SMV hatte am Montag darauf hingewiesen, dass man den Streik in der nächsten Woche aussetzen wolle, weil dann Prüfungen anstehen, die nur in Präsenz absolviert werden können. Danach aber will man offensichtlich wieder ins "Homeoffice" zurückkehren.

HK

Jan Stephanund