Ingolstadt
Kult-Buch aus der Beat-Ära

Ingolstädter Literaturtage: Schauspieler Robert Stadlober liest aus Richard Fariñas Debütroman "Been down so long it looks like up to me"

10.05.2019 | Stand 23.09.2023, 6:57 Uhr
Schweißtreibende Performance: Robert Stadlober. −Foto: Woelke

Ingolstadt (DK) Es soll Bücher geben, die schier nicht verfilmt werden können - zu komplex ist ihre Handlung. "Been down so long it looks like up to me" gehört dazu. So sieht es zumindest Schauspieler Robert Stadlober, der am Donnerstag aus dem einzigen Werk von Richard Fariña las.

Am 28. April 1966 war der Roman veröffentlicht worden. Zwei Tage später verunglückte der Autor tödlich. Mit seinem progressiven Stil und als Inspiration für Doors-Frontmann Jim Morrison hat das Buch zu Zeiten der Beat-Ära in den USA schnell Kultstatus erlangt. Die deutsche Übersetzung wurde vergangenes Jahr veröffentlicht. Ein Anlass, die Geschichte von Gnossos "Paps" Pappadopoulis bei einer Lesung im Altstadttheater nun auch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen.

Nach einer kurzen Begrüßung von Moderator und BR-Kritiker Dirk Kruse tritt Stadlober mit dem Buch in der Hand an den Rand der Bühne und wirft den Zuhörer ohne große Umschweife in die chaotische Welt von Paps. Es bedarf keiner großen Einführung, denn das erste Kapitel beschreibt den Protagonist gut: ein großkotziger, unmoralischer Draufgänger, der gegen die "Generation aus der Gussform" rebelliert.

USA in den 1950ern: Der Sohn griechischer Eltern will nach einem Jahr Auszeit die vorgefertigten Strukturen des Campus-Lebens aufbrechen. Anhänger des Elite-Kults werden von Paps gnadenlos aufs Korn genommen. Statt sich beim Hochschulsport zu beweisen, frönt er dem exzessiven Drogenkonsum. Eine Figur, die kein Blatt vor den Mund nimmt. So wie Stadlober: Seine Gespräche mit Kruse zwischen den Textpassagen machen den Sprung in eine scheinbar andere Zeit möglich. Stadlober sagt seine Meinung über die Situation dieser Epoche gerade heraus, spricht das Offensichtliche unbeschönigt an. Das Publikum nimmt's mit Humor. Viele Zuhörer sind zur Lesung gekommen, um Stadlober einmal live zu erleben. Belohnt werden sie vor allem mit seinem schauspielerischen Talent. Spöttisch liest er die lange Aneinanderreihung von Konsumgütern, die damals wie heute wichtig sind, um zur Elite zu gehören, und die Paps gleichzeitig hasst. Ohne Mikrofon muss Stadlober bis zu 20 Substantive und mehrere dazugehörige Adjektive in steigender Geschwindigkeit aufzählen, fast so, als würde er die Zeilen rappen - bis Paps mit seiner Hasstirade über die "Gesellschaft der Blauäugigen" fertig ist.

Sein katastrophales Verhalten während einer Verbindungsveranstaltung, gefangen im Opiumrausch, wird von Stadlober grandios inszeniert. Im Publikum wird gelacht. Den Rhythmus des Buches übersetzt Stadlober bewundernswert ins Sprachliche. Die Zuhörer lauschen gespannt. "Man merkt, dass Fariña zuerst Musiker war", stellt Stadlober im Diskurs klar. Der Autor war mit Mimi Baez, der Schwester von Folk-Sängerin Joan Baez, verheiratet und hat mit ihr eigene Platten veröffentlicht.

Die Einordnung des Romans fällt selbst dem versierten Kultur-Kritiker Kruse schwer. Schlüssel-, Schelmen- und Entwicklungsroman werden als mögliche Kategorien genannt. Oder eine "Gebrauchsanweisung für mit Drogen experimentierende Jungphilosophen". "Es geht um Sex, Drugs, Rock'n'Roll - und Bildung" stellt das Duo schließlich fest.

Fariña war mit seiner Gesellschaftskritik und dem Abgesang auf den alternativen amerikanischen Traum seiner Zeit schon weit voraus. Den Gedankenströmen von Paps und somit auch den Worten Stadlobers zu folgen, bedarf großer Aufmerksamkeit. Doch so fühlt man sich direkt in die Gedankenwelt des Revoluzzers hineinversetzt. "Gehirndisco" nennt es Stadlober. Vermutlich ist das Buch genau deswegen so schwer verfilmbar. Für die schweißtreibende Performance wird der Schauspieler mit großem Applaus belohnt.

Katharina Wirtz